Welcher Gesprächstyp bist du?
Vor allem in schwierigen Situationen neigen wir oft dazu, in Muster zu verfallen – das gilt auch für unangenehme Gespräche, ganz gleich, ob als Gruppe oder zu zweit, ob im Beruf, der Uni oder privat.
Diese Verhaltensmuster erkennen und sich selbst und die anderen bestmöglich einschätzen zu können, kann dabei helfen, die Situation zu klären und es zukünftig besser zu machen. Darum geht es hier: Wir möchten niemanden in Stereotype drängen, sondern bei der Klärung von schwierigen Gesprächen unterstützen!
Was sind Kommunikationstypen?
Vor allem in Gruppe kann sich bei Unstimmigkeiten schnell eine Eigendynamik entwickeln, die definitiv keine Schlichtung oder Lösung fördert. Das ist auch der Familientherapeutin Virginia Satir in ihren jahrelangen Beobachtungen von Familienstrukturen und -dynamiken aufgefallen.
Sie war es, die das Modell der 4 Kommunikationstypen, oder auch ‚Stresstypen‘, entwickelt hat. Das besagt, dass jede:r von uns besonders in schwierigen Situationen dazu neigt, in einen Typen, ein Handlungsmuster, von diesen 4 zu verfallen.
Das Kommunikationstypen-Modell soll Verständnis und Verständigung dadurch schaffen, die Verhaltensmuster von sich selbst und den anderen Beteiligten einschätzen und nachvollziehen zu können, um so – im besten Fall gemeinsam – aus diesen Mustern auszubrechen und (Kommunikations-)Probleme auch längerfristig besser lösen zu können.
Welche Gesprächstypen gibt es?
Als ‚Stresstypen‘ nennt Satir zwar nur 4 unterschiedliche Typen, es kann aber noch ein 5ter aufgeführt werden, der im Gegensatz zu den anderen nicht in unvorteilhafte Muster verfällt, sondern mit seiner/ihrer Art zur Schlichtung beiträgt.
Das bringt uns zu der Frage: Was sind die 5 Kommunikationstypen genau und was macht sie aus?
Ankläger:in
Seine/Ihre Superpower ist eigentlich, eigene Gedanken und Standpunkte ausdrücken und durchsetzen zu können – was an sich keine schlechte Eigenschaft ist. Nur tut er/sie das meistens eher laut, schroff und sehr angespannt. Dabei nehmen die Anklagenden leider nur selten Rücksicht auf die Gefühle anderer.
In Stresssituationen fühlen sie sich unverstanden und denken, sie werden nur gehört, wenn sie sich lautstark bemerkbar machen. Frei nach dem Motto ‚Angriff ist die beste Verteidigung‘, teilt dieser Typ sehr gerne aus – steckt aber ungern ein. Zur Lösung schwieriger Situationen trägt diese Haltung nicht unbedingt bei. Ankläger:innen neigen zu Sturheit und sehen ihre eigenen Fehler nur selten ein.
Tipp: Wie am besten mit Ankläger:innen umgehen?
- In ihren positiven Eigenschaften bestärken und versuche dadurch indirekt fehlerhaftes Verhalten zu verbessern – eine direkte Anklage wird bei diesem Typen nicht funktionieren.
- Da sie sich nicht ernst- oder wahrgenommen fühlen, ist es besonders wichtig, ihnen zu vermitteln, dass man sie sieht und ernst nimmt.
Beschwichtiger:in
Was dem ersten Typen an Durchsetzungsvermögen gegeben ist, fehlt den Beschwichtigern total. Sie sind das komplette Gegenteil, zeichnen sich eher durch leise und unterwürfige Äußerungen aus, die oft im Konjunktiv gehalten sind, weil es ihnen schwerfällt, konkrete Äußerungen zu treffen.
Auch will dieser Typ unbedingt gefallen und stellt das ‚Glück‘ der anderen über sein/ihr eigenes. Das erkennt man auch daran, dass der/die Beschwichtiger:in oft nicht in der Lage ist, Entscheidungen zu treffen und eine eigene Meinung zu formulieren.
Die große Stärke von diesen Menschen ist aber ihr Einfühlungsvermögen – sie können sehr viel Verständnis für ihr Gegenüber aufbringen und wollen eigentlich nur, dass es allen gut geht.
Tipp: Wie am besten mit eine:r Beschwichtiger:in umgehen?
- Sie bestärken, für sich selbst und ihre Meinung einzustehen.
- Versuchen ihnen bei Entscheidungen zur Seite zu stehen und mit ihnen zusammen vielleicht die Pro- und Contra-Punkte durchgehen.
Ablenker:in
Sobald eine Stresssituation droht, wird dieser Typ alles daran setzen, davon abzulenken. Das heißt: es wird drastisch ausgewichen – das kann durch unpassende Witze, Äußerungen oder übertriebenes Verhalten passieren, das nichts mit dem gegenwärtigen Problem zu tun hat.
Der/die Ablenker:in steht gerne im Mittelpunkt und hat das Gefühl nur wahrgenommen zu werden, wenn er/sie den Clown spielt. Dadurch, dass dieser Typ dazu neigt dauernd und unkontrolliert die Themen zu wechseln, ist es sehr schwer ihm zu folgen und ihn ernst zu nehmen.
Die Fähigkeit, spontan auf Dinge zu reagieren und sie in eine andere Richtung lenken zu wollen, könnte man aber auch als Stärke sehen. Es kommt immer auf die Perspektive an.
Tipp: Wie am besten mit Ablenker:innen umgehen?
- Ihnen das Gefühl vermitteln, dass sie wahrgenommen werden.
- Sie (immer wieder) höflich bitten, das Thema/Problem ernst zu nehmen und bei der Sache zu bleiben, auch, wenn es ihnen schwerfällt.
Rationalisierer:in
Der Name dieses Kommunikationstypen klingt erstmal nicht schlecht – und die Lösungsorientierung und emotionale Distanzierung in Krisensituationen ist auch sicher seine Superpower. Nur besteht darin auch sein/ihr größtes Problem: Gefühle, weder die eigenen noch die der anderen, werden oft unterdrückt, kleingeredet oder schlicht nicht ernst genommen.
Durch die Fokussierung von Rationalisierer:innen auf die Lösung des Problems, auf Logik und rationale Argumente, bleibt aber das Zwischenmenschliche oft komplett auf der Strecke. Das heißt: Zwar können diese Typen Missverständnisse objektiv und logisch nachvollziehbar erklären, durch das Ausgrenzen jeglicher Emotionalität werden sie aber nicht längerfristig aus der Welt geschafft.
Tipp: Wie am besten mit eine:r Rationalisierer:in umgehen?
- Ihre Lösungsorientierung und Objektivität wertschätzen.
- Ihnen aber immer mal wieder bewusst machen, dass emotionale Aspekte auch ein wichtiger Faktor sind, mit denen man sich auseinandersetzen sollte.
Kongruente:r
Der 5te Typ, und damit eigentlich keiner der ursprüglichen ‚Stresstypen‘, ist der kongruente Kommunikationstyp. Er/Sie stellt dabei den idealen Gesprächstypen dar. Wertschätzung, Verständnis und klare Kommunikation – das macht diesen Typen aus.
Auch in Stresssituationen schaffen die Kongruenten es durch ihre Art wirklich niemandem auf den Schlips zu treten und sogar im Gegenteil, die Beteiligten zu beruhigen und Konflikte zu lösen.
Dass sie ihre eigenen und die Gefühle anderer ernst nehmen, für sich und andere einstehen und sich durchsetzen können, ohne anklagend oder angreifend zu wirken, sondern sehr verständnisvoll sind – das ist die größte Stärke dieser Typen.
Welcher Typ bist du?
Hast du dich in einer Beschreibung besonders gut wiederfinden können? Läuft bei dir in Stresssituationen auch immer mal wieder dasselbe Muster ab? Dann lass uns gerne wissen, welcher Gesprächstyp du bist!
Exkurs: Wie funktioniert eine Gesprächsanalyse?
Bei einer Gesprächs-, Kommunikations- oder auch Dialoganalyse, werden mehrere Bereiche beobachtet und festgehalten. Das sind einerseits die Inhalte, über die, aber auch die Art und Weise, sowohl sprachlich (Lautstärke, Intonation, Wortwahl u.Ä.) als auch zwischenmenschlich (Beziehungsgefüge der Sprechenden, Rolle, die sie einnehmen etc.), in der gesprochen wird.
Ziel ist, die Ursache von Miss- und Fehlkommunikation aufzuspüren und gemeinsam daran zu arbeiten, dass sie überwunden werden kann. Dabei geht es nicht darum, jemand einzelnem den schwarzen Peter oder die Schuld zuzuweisen, sondern respekt- und verständnisvoll die nicht funktionalen Gesprächsmuster aufzubrechen und eine funktionierende Kommunikationsebene zu etablieren.
Tipp für Gesprächsanalyse
Eine unvoreingenommene, neutrale Person für die Analyse heranziehen, mit der sich alle Kommunikationsteilnehmer:innen arrangieren können. So kann eine objektive Dialoganalyse sichergestellt werden, aus der man für zukünftige Gespräche lernen kann.
(ally.vision/freiraum-psychologische-beratung/FU Berlin/SALI)