Einkaufen ohne Verpackungen: Unverpacktläden
Wenn ich einen Supermarkt betrete, fühle ich mich häufig wie erschlagen vom Überangebot an Waren. Alles gibt es gefühlt mindestens in 10 verschiedenen Alternativen, schön bunt verpackt, gerne mit viel Plastik. Zu Hause wird dann erstmal ein kleiner Müllberg aus den vielen Folien, Kartons und Tüten aufgebaut. Ganz schön nervig.
Dachte sich wahrscheinlich auch Marie Delaperrière, die Betreiberin des ersten verpackungsfreien Ladens in Deutschland. Der wurde 2014 in Kiel eröffnet. Von dieser Pionierarbeit ausgehend, eröffneten im Laufe der letzten 10 Jahre immer mehr solcher Unverpacktläden überall in Deutschland.
Trendwelle startete 2015
Danach startete eine regelrechte Eröffnungswelle in ganz Deutschland, von der einige Ladenbesitzer:innen selbst auch überrascht waren.
„Als wir unseren Laden 2016 aufgemacht haben, war uns noch gar nicht so bewusst, dass gerade parallel so viele die gleiche Idee haben und dass gerade ganz viele solcher unverpackt Geschäfte in verschiedenen Städten aufgemacht haben. Wir dachten ja zuerst, dass das so eine totale Nische ist, die wir hier besetzen.“
Weit gefehlt. Zwischen 2015 und 2016 ging ein regelrechter Ruck durch die Nation. Zahlreiche Geschäfte öffneten ihre Türen für Kund:innen, die möglichst ressourcenschonend einkaufen wollten.
Jede:r Ladenbesitzer:in, mit dem/der ich gesprochen habe, hat mir das Gleiche zurückgemeldet. Nämlich, dass sie persönlich genervt waren von dem ganzen Verpackungsmüll, den sie mit ihren Einkäufen angehäuft haben. Die übervollen gelben Tonnen haben manchen an seine Grenzen gebracht. Aber nicht nur das eigene Erleben spielte eine Rolle. Heidi Triska, Inhaberin von „abgefüllt & unverpackt“ in München, erklärte mir:
„Seit Ende 2017/Anfang 2018 wurde ich durch Berichte in Tages- und Wochenzeitungen sowie öffentlich-rechtliche TV-Sender wie ARD und ZDF vermehrt auf die Müllproblematik aufmerksam. Und je mehr ich mich damit befasste, umso schockierter war ich, weswegen ich mich dazu entschlossen habe, aktiv etwas gegen die Vermüllung unserer Erde zu tun.“
Wie funktioniert ein Einkauf im Unverpacktladen?
Das Prinzip ist eigentlich überall das Gleiche. Sämtliche lose Waren sind unverpackt und werden in eigens mitgebrachte Behältnisse abgefüllt. Die meisten Läden haben auch Behälter vorrätig, zum Beispiel gereinigte Schraubgläser oder Papiertüten.
Dann werden die Sachen abgewogen und bezahlt, vorher wird natürlich das Gewicht der jeweiligen Umverpackung abgezogen. Das Sortiment beinhaltet dabei Nudeln, Hülsenfrüchte, Nüsse, Müsli und vieles mehr. Obst und Gemüse sind natürlich ebenfalls nackig, dürfen aber in einem mitgebrachten oder vor Ort erstandenen Netz gesammelt und mit nach Hause getragen werden. Viele haben vor Ort auch einen Drogerie- und Haushaltsbereich. So können auch Haushaltsreiniger abgefüllt werden oder gar Kosmetika.
Daneben gibt es häufig Bücher oder andere nonfood Produkte ohne Umverpackung. Was alle Produkte vereint, ist, dass sie aus biologischen Anbau und fairem Handel kommen. Auch im nonfood Bereich stammen die Waren oft aus fair produzierenden Unternehmen.
Die Förderung gerade kleinerer Manufakturen steht für viele Anbieter:innen ebenfalls auf der Agenda. So berichtet Heidi Triska, dass sie auch ganz bewusst mit ihrem Laden kleine Manufakturen unterstützen möchte, die nachhaltig, ökologisch und fair produzieren.
Woher kommt das Sortiment?
Für alle war die Erstellung ihres Sortiments erst einmal mit viel Recherche und Selbstversuchen verbunden. Manche Dinge sind einfacher, wie zum Beispiel Bauern zu finden, die biologisch anbauen, andere Dinge sind da schon schwieriger.
Ramona Dorner, Inhaberin von "rutaNatur" in Augsburg, erzählte mir beispielsweise, dass es am Anfang gar nicht so leicht war, einen Anbieter zu finden, der Nudeln im Karton anliefert und nicht in Plastik verpackt. Auch einen Ölproduzenten zu finden, gestaltete sich erstmal schwierig. Ihre Öle kommen nun direkt von einem Hersteller aus dem Augsburger Umland, der extra für sie abfüllt. Sie hat viel Zeit damit verbracht, die für sie richtigen Produkte zu finden und hat einiges mit ihrer Familie ausprobiert.
Sortimentsaufbau mit Hindernissen
Verena Lojewski von „Ich BIN’s regional & unverpackt“ aus Friedberg bei Augsburg berichtet, dass es teilweise schwierig war, an Waren zu kommen. Sie erzählte mir, dass Bio im Allgemeinen in den letzten Jahren Probleme verursachte.
Es gab immer wieder Lieferanten, die insolvent wurden und nicht mehr liefern konnten, wodurch Engpässe entstanden. Neue Lieferanten zu finden, wäre aber sehr zeitaufwendig und mit vielen Hürden verbunden.
Im Genossenschaftsladen „Nebenan & Unverpackt München West“ in München werden die Produkte zu ca. 50 Prozent über einen allgäuer Bio-Vertrieb, der auch andere Bioläden beliefert, eingekauft. Der Rest wird über kleinere Anbieter, auch Integrationsprojekte und den Direktvertrieb durch Landwirte, bezogen.
Spannend fand ich, dass Ramona mir erzählte, dass sie im Grunde mit ihrer kleinen Familie von dem Sortiment ihres Ladens lebt. Sie bezieht so gut wie alles aus ihrem Geschäft.
„Das ist auch recht faszinierend, wir sind ja auf den ersten Blick ein total kleiner Laden, aber wir haben tatsächlich ein Voll-Sortiment im vegetarischen Bereich.“
Auch das Soziale ist wichtig
Die Betreiber:innen mit denen ich gesprochen habe, hatten aber auch den Wunsch, ein sozialer Treffpunkt zu sein. So zum Beispiel bei „Nebenan & Unverpackt“ in München. Hierbei handelt es sich um Münchens ersten genossenschaftlich organisierten Unverpacktladen. Alle Genoss:innen sind zugleich auch Kund:innen und Händler:innen und wirtschaften zusammen. Für sie alle steht vor allem die Gemeinschaft im Vordergrund. Im Viertel zählt der Laden daher eben auch als Treffpunkt, mit vielen sozialen Angeboten und Aktionen.
Auch Ramona Dorner von rutaNatur unterstreicht den sozialen Aspekt ihres Ladens. Sie erzählte mir, dass ihr Publikum zwar bunt gemischt sei, aber eben auch gerade ältere Menschen gerne in ihr Geschäft kommen, weil sie hier mit mehr Ruhe und einem Schwätzchen an der Ladentheke ihre Einkäufe erledigen können.
Mein Praxistest im unverpackt-Laden in Augsburg
Müllreduzierung, Biogemüse, plastikfrei und fair produziert. Klingt doch alles super. Warum hält sich dann die Kundschaft so zurück? Vielleicht liegt es an der Sorge, dass alles wahnsinnig teuer ist, oder das Sortiment nicht alles hergibt, was man braucht.
Gerade der Aspekt der Preisgestaltung ist interessant. Bei meinem eigenen Versuch ist mir schnell klar geworden, worin die Vorteile bestehen. Ich konnte die für mich perfekte Menge von allem abfüllen. Als Single fand ich das sehr gut. Ich brauche beispielsweise keine große Packung Suppennudeln, da reichen mir eine Handvoll, das Gleiche beim Soßenbinder.
Bei Gewürzen kam ich sogar günstiger. Natürlich finde ich auch den Gedanken, dass alle Produkte von den Ladeninhabern für gut befunden wurden, irgendwie sehr tröstlich. Was mir auch richtig gut gefallen hat, war, dass ich nicht von schön gestalteten Verpackungen abgelenkt war oder von dem riesigen Angebot dazu verleitet wurde, mehr zu kaufen, als ich brauche. Zack, schon hatte ich wieder gespart.
Wer kauft da eigentlich ein?
Laut einer von Yougov veröffentlichten Umfrage vom Dezember 2023 gehen 22 Prozent der Deutschen hin und wieder beziehungsweise sogar schon oft in solchen Geschäften einkaufen. 30 Prozent haben dies noch nicht getan und können es sich auch nicht vorstellen. Weitere 43 Prozent können es sich vorstellen, haben es aber bisher auch noch nicht getan.
Deine Generation ganz vorne dabei
Der Report „Verpackungsloses Einkaufen – Konzept mit Zukunft?“ zeigt auch, dass besonders die Generation Z dem Konzept des verpackungslosen Einkaufens offener gegenübersteht, als es die Gesamtheit der deutschen Verbraucher:innen es tut. Bei der Gen Z sind es immerhin 29 Prozent, die mindestens hin und wieder in solchen Läden eingekauft haben und nur 20 Prozent können es sich gar nicht vorstellen.
Hard facts zur Generation Z und verpackungsfreien Einkaufen:
- die Hälfte der befragten User ist Single (48 Prozent)
- hat Abitur (50 Prozent)
- 28 Prozent haben einen Migrationshintergrund
- 59 Prozent sind der Meinung, dass es ethischer sei, Veganer(in) zu sein
- für 67 Prozent befürworten Elektroautos
Übrigens wissen viele Menschen, nämlich fast 50 Prozent, einfach nicht, wo in ihrer Nähe sich eine solche Einkaufsmöglichkeit bietet. Ramona Dorner hat deswegen den Stier hier bei den Hörnern gepackt. Sie ist sehr aktiv auf Social Media, um dem Thema „unverpackt“ mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen. Außerdem öffnet sie ihre Türen gerne für Schulklassen und Stadtführungen, die unter dem Motto der Nachhaltigkeit stehen.
Viel positives Feedback
Alle meine Interviewpartner:innen haben mir bestätigt, dass die Rückmeldungen der Kundschaft durchweg sehr gut sind. Die Besucher:innen sind neugierig, engagiert und interessiert. Laut Christopher Stark vom „Nebenan & Unverpackt“ in München, sind manche einfach von der Atmosphäre im Laden mit dem Angebot von Kaffee und Kuchen angezogen. Viele sehen aber auch die hohe Qualität des Angebots. Zumal es Produkte gibt, die sonst nirgends zu bekommen sind.
„Schöner Laden, wie toll, dass es euch gibt! Immer wieder wird die gute Qualität der Produkte gelobt.“
Du willst unverpackt-Läden eine Chance geben?
Wenn auch du Lust bekommen hast, dem Verpackungswahnsinn zu entkommen, dann schau doch mal in deiner Stadt, wo der nächste Unverpacktladen ist. Vielleicht bist du am Schluss genau so überrascht wie ich, wie einfach sich der wöchentliche Einkauf hier gestaltet. Nämlich stressfreier, gelassener und mit gutem Gewissen.
Fazit: In Unverpacktläden bestimmst du, was du wirklich brauchst! Keine aufmerksamkeitsheischenden Verpackungen können dich unbewusst verführen. So kannst du richtig sparen.
(Dorner/Lojewski/Yougove/IStark/Triska/CHHI)