Craving

Essen mit Suchtfaktor

Junge Frau im Comicstyle umschwirrt von lauter ungesunden Lebensmitteln
Lust auf was Süßes oder Fettiges, dass kenne wir doch alle. Manchen fällt es aber deutlich schwerer, als anderen, diesen spntanen Heißhungerattacken zu widerstehen. (Foto: © Ирина Курмаева/stock.adobe.com)
So ein Stückerl Kuchen geht ja eigentlich immer noch rein, oder Schokolade. Kennst du das auch, dieses Gefühl von Heißhunger? Lass uns mal darüber sprechen.
Dienstag, 03.12.2024, 10:00 Uhr, Autor: Christine Hintersdorf

Essen ist essenziell für unser Leben. Wir brauchen täglich Nahrung, die uns mit Energie versorgt. Am besten mit einem ausgewogenen Speiseplan. Ballaststoff- und vitaminreich, mit genügend guten Fetten und Eiweiß. Also, schön viel Gemüse, ein wenig Fleisch, Fisch und Obst. Die meisten wissen, dass so eine gute Ernährung aussieht. Nur dran halten tun sich die wenigsten.

Kennst du doch bestimmt auch: der Wunsch nach etwas kleinem Süßen. Oder das übermächtige Verlangen nach einer Tüte Chips. Und hast du erstmal angefangen, dann Gnade deinem Kühlschrank. Es gibt Tage, an denen könntest du dich einmal komplett durch deine Vorräte futtern.

Fresssucht wird weltweit zur Epidemie

Warum ist das eigentlich so? Warum geht der Appetit in eine komplett andere Richtung, als es wünschenswert wäre? Oder bist du schon mal dagestanden und hast gedacht: boah, jetzt ne Stange Sellerie, das wärs! Ich persönlich hatte noch absolut nie einen solchen Moment. Leider. Dann lieber die Chips, von denen unser Körper nicht wirklich was hat – außer du bist am Nordpol in tiefster, eisigster Kälte und brauchst dringend schnell umsetzbare Energie. Ansonsten verwertest du die Fett-, Salz-, und Kalorienbombe nur zu Bauchspeck und genau der ist nach wissenschaftlichen Erkenntnissen das größte Übel überhaupt. 

Weltweit kämpfen Menschen mit dem Hang zu Übergewicht und dem gefürchteten Bauchrollen. Essstörungen breiten sich immer mehr aus, die Tendenz zur Fettleibigkeit überzieht wie eine Epidemie unseren Planeten. Mittlerweile gibt es besonders in Europa und Amerika immer mehr Menschen mit Adipositas, der sogenannten Fettsucht oder Fettleibigkeit. Eine sehr ungesunde und bedenkliche Entwicklung. Denn mit Übergewicht gehen zahlreiche Erkrankungen und Beschwerden einher. Angefangen bei Diabetes über Gelenkbeschwerden usw. Das will ja nun offensichtlich kein Mensch freiwillig und dennoch fällt es uns so schwer, uns gesund zu ernähren. 

Ist Übergewicht eine Sucht?

Das ist eine sehr schwierig zu beantwortende Frage. Mediziner:innen sagen, dass Adipositas eine sehr komplexe Erkrankung ist, sprechen aber nicht direkt von einer Sucht. Allerdings erinnern die Symptome einer Adipositas schon sehr an die einer Suchterkrankung.

Als Ursache für den Hang zum Übergewicht lassen sich viele Faktoren benennen:

  • genetische Prädispositionen
  • soziale Faktoren
  • Stress
  • emotionale Belastungen
  • Bewegungsmangel
  • ungesunde Ernährung

Außerdem sind nicht alle übergewichtigen Menschen direkt süchtig nach Essen. Manche ernähren sich einfach von Haus aus schlecht und haben keine Kenntnis darüber, wie ungesund ihre Ernährung tatsächlich ist.

Allerdings muss an dieser Stelle ganz klar gesagt werden: die Wissenschaft hat viele Annahmen und Vermutungen. Wirkliche Klarheit über die Ursache von Übergewicht besteht keinesfalls. Derzeit findet dazu eine rege Diskussion statt, dessen Ausgang noch lange nicht abzusehen ist. Viel zu komplex scheint hier das Ursachengeflecht zu sein. Aktuell stehen Veränderungen im Gehirn hoch im Kurs beim wissenschaftlichen Diskurs. 

Kann man von Essen süchtig werden?

Zucker oder stark kohlenhydrathaltige Lebensmittel sorgen für die Ausschüttung von Dopamin im Gehirn. Der Neurotransmitter wiederum lässt uns Freude empfinden. Ein Gefühl der Belohnung entsteht. Das möchten wir natürlich immer wieder gern erleben. Dadurch verändert sich das Belohnungssystem in unserem Gehirn. Genau dasselbe passiert auch bei einer Suchterkrankung, wie beispielsweise der Alkoholsucht. 

Ein weiterer Punkt, der stark an eine Sucht erinnert, ist die fehlende Impulskontrolle. Viele Betroffene haben das Gefühl, sie können wortwörtlich nicht aufhören mit Essen. Das Verlangen hört einfach nicht von selbst auf. Sie wissen durchaus, dass ihr Verhalten extrem schädlich ist, können es aber aus eigener Kraft nicht ändern.

Das Fiese an der Geschichte ist, im Gegensatz zu jeder anderen Sucht, kann man bei dieser nicht einfach auf das Suchtmittel verzichten. Ohne Nahrung funktioniert unser Körper nun mal nicht. Das gestaltet aber auch jeden Therapieansatz deutlich schwieriger. Sodass teilweise zu drastischen Mitteln, wie der Magenverkleinerung, gegriffen werden muss.

Süchtig nach dem Glücksgefühl

In Fachkreisen spricht man auch von einer „Nahrungsmittelabhängigkeit“. Besonders fetthaltige, salzige oder süße Lebensmittel fördern diese „Sucht“. Wie gerade schon kurz angesprochen, reagiert unser Gehirn auf diese Lebensmittel, wie es auch auf Drogen reagiert. Mit einem Glücksgefühl. Genau das ist gefährlich, denn jeder Mensch möchte sich glücklich und zufrieden fühlen. Das kann dann zu einer Form des Suchtverhaltens führen, um eine emotionale Stabilität aufrechterhalten zu können.

Warum manche Menschen dann aber ein stärkeres Verlangen nach bestimmten Lebensmitteln entwickeln als andere, darüber gibt es wissenschaftlich gesehen keine Klarheit.  

Gewöhnungseffekt und Entzugssymptome 

Außerdem scheint es einen Gewöhnungseffekt zu geben. Ebenfalls ähnlich dem Drogenmissbrauch. Der wiederholte Konsum bestimmter Lebensmittel kann dazu führen, dass das Gehirn eine höhere „Dosis“ benötigt, um dieselbe Befriedigung zu erfahren. Dies kann dazu führen, dass der Konsum dieser Lebensmittel immer intensiver wird, um das gleiche Maß an Belohnung zu erhalten.

Adipositas-Betroffene beispielsweise verlieren die Kontrolle über ihr Essverhalten. Ihr gesamtes Denken dreht sich nur noch um die nächste Mahlzeit. Oft fehlt ihnen auch irgendwann das Sättigungsgefühl, ein Teufelskreis aus dauerhaftem Hungergefühl entsteht.

Dass dann der Verzicht auf diese Nahrung sogar zu Entzugserscheinungen führen kann, macht es nicht eben leichter. Außerdem unterstützt dies ebenfalls den Vergleich mit einer Sucht.

Zu den Symptomen gehören Reizbarkeit, Unruhe oder sogar Kopfschmerzen. Neben den körperlichen Symptomen gibt es auch psychische Faktoren – deutlicher gesagt, eine emotionale Abhängigkeit. Es kann zu Stimmungsschwankungen und einem Gefühl von Traurigkeit kommen. 

Emotionaler Stress begünstigt Übergewicht

Manche Menschen essen, um mit negativen Gefühlen wie Stress, Angst oder Traurigkeit umzugehen. Essen dient hier als emotionaler Bewältigungsmechanismus. Im Gehirn setzt sich fest: Wenn ich esse, geht es mir gut. Das ist in doppelter Hinsicht gefährlich. Zum einen verhindert es das aktive Auseinandersetzen mit Gefühlen, die dadurch nicht verarbeitet werden, zum anderen führt es auf Dauer zu Übergewicht

Wenn Essen zum Trostspender wird, gerät etwas aus dem Gleichgewicht! Nicht nur Übergewicht kann die Folge sein, sondern auch eine depressive Erkrankung. 

Natürlich kennen wir (fast) alle die tolle Wirkung von Soulfood. An Tagen, an denen wir uns nicht so großartig fühlen, hilft uns unser Lieblingsessen wieder ein bisschen Licht ins Dunkel zu bringen. Als Dauerzustand ersetzt es aber andere Wege, mit schwierigen Lebensumständen umzugehen. Leider nicht auf eine konstruktive Weise. Im ungünstigsten Fall kann dieses Verhalten zu einer Depression führen. 

Das Gleiche gilt, wenn wir uns mit einem Stück Kuchen oder Eis für etwas belohnen wollen. Hin und wieder ist das vollkommen ok. Wird es aber immer mehr und immer öfter eingesetzt, dann kann es in eine Esssucht kippen. 

Welche Zusatzstoffe oder Lebensmittel machen süchtig?

Stark verarbeitete Nahrungsmittel, wie eben Süßigkeiten, Fast Food, fettreiche Snacks stehen im Verdacht, „süchtig“ zu machen. Zucker allgemein führt im Gehirn zu der zuvor erklärten Dopamin-Ausschüttung und kann damit ein suchtähnliches Verhalten auslösen. 

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Junge Menschen verschiedener Ethnien beim gemeinsamen Essen von Gebäck. (Foto: © stock.adobe.com/Xavier Lorenzo)
Gesünder Leben

Wir haben für dich ein paar Lebensmittel bzw. Stoffe zusammengetragen, die im Verdacht stehen, ungünstig auf unser Gehirn zu wirken. 

Zusatzstoffe in Lebensmitteln, die potenziell süchtig machen können:

  • Zucker: Zucker ist ein starker Geschmacksverstärker und aktiviert das Belohnungssystem im Gehirn, indem er Dopamin freisetzt. Dieser Effekt kann dazu führen, dass Menschen regelmäßig nach zuckerhaltigen Lebensmitteln verlangen und diese übermäßig konsumieren.
  • Salz: Salz hat tatsächlich eine ähnliche Wirkung auf das Belohnungssystem wie Zucker. Der Mensch hat eine natürliche Vorliebe für salzige Lebensmittel. Regelmäßiger Konsum kann zu einem Gewöhnungseffekt führen. Dann brauchst du immer mehr davon, damit du es schmeckst.
  • Fett: Ganz besonders Transfette und gesättigte Fette wirken auf unser Gehirn. Auch hier will unser Körper immer mehr davon. Chips, Burger, Pommes und andere verarbeitete Lebensmittel steigern unseren Appetit auf mehr.
  • Mononatriumglutamat: Das ist ein sehr günstiger Geschmacksverstärker, der in Fertiggerichten, Snacks und Restaurantgerichten vorkommt. Es gibt wissenschaftliche Hinweise darauf, dass es appetitanregend wirkt – gesicherte Erkenntnisse gibt es aber noch nicht.
  • Künstliche Süßstoffe: Aspartam, Saccharin und andere künstliche Süßstoffe werden oft in kalorienreduzierten Lebensmitteln und Getränken verwendet. Während sie keine Kalorien liefern, können sie dennoch das Verlangen nach Süßem steigern. 
  • Koffein: Unser täglicher Kaffee am Morgen ist noch kein Problem, aber die Anzahl der folgenden Tassen kann eines werden. Denn Koffein hat eine anregende Wirkung auf das zentrale Nervensystem und kann das Verlangen nach mehr Koffein steigern. Nun wird vom schwarzen Gesöff keiner dick. Nur wenn du reichlich Milch und Zucker dazu gibst, wird es eine kleine Kalorienbombe. 

All die genannten Stoffe können deine Gehirnchemie beeinflussen und damit auch dein Essverhalten ändern. Das hast du bestimmt schon selber festgestellt. Außer, du gehörst zu diesen Superhelden:innen, die nur die auf der Packung als Tagesration angepriesenen 5 (in Worten: FÜNF) Chips essen können und dann zufrieden die Tüte weglegen? Falls du das kannst, steht einem perfekten und glücklichen Leben absolut nichts im Weg, weil du offensichtlich nicht nur über eine überragende Impulskontrolle verfügst, sondern auch dein Hirn perfekt im Griff hast. 

Was tun gegen Heißhunger?

Eine Frage, die sich sofort stellt: woher kommt dieser Heißhunger auf Süßes? Warum passt, selbst, wenn wir absolut satt sind, immer noch ein kleines Stück Schokolade in uns rein? In meinem Fall geht auch in wirklich jeder Lebenslage ein Stück Kuchen. Egal, wo ich gerade bin oder was ich gerade tue – bietet mir jemand ein Gebäck oder Erdbeerkuchen – here I am!

Selbst wenn ich nur noch mit wenigen Fingern an einem Gebüschzipfel über einer Klippe hänge, nehme ich natürlich sehr gerne ein Stück Mozarttorte an. Wer weiß, wann die nächste Gelegenheit kommt...Gesund ist dieses Verhalten natürlich nicht. Was also können du und ich gegen dieses Verlangen tun?

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Wodurch entsteht Heißhunger?

Er überfällt dich unvorbereitet und möchte dann bitte sofort ungeteilte Aufmerksamkeit – der Heißhunger. Dabei geht es nicht einfach darum, dass du mal wieder was essen solltest, um den Apparat am Laufen zu halten. Nein, dein Körper möchte Zucker und viele Kohlenhydrate oder was sehr, sehr Fettiges – am liebsten frittiert. Und. Zwar. Jetzt.

Gründe dafür kann es mehrere geben. Bisher bekannte Zusammenhänge sind: 

  • An erster Stelle stehen leider falsche Essgewohnheiten, das heißt, du ernährst dich beispielsweise nicht eiweiß- und ballaststoffreich genug. Oder du nimmst zu viel Zucker zu dir, sodass dein Insulinspiegel dauerhaft zu schnell absingt bzw. ansteigt. Ein weiterer Fehler ist es, nicht regelmäßig zu essen. Das stresst den Körper auf Dauer. 
  • Stress ist generell ein Trigger für Essattacken. Häufig versuchen wir, Stress mit Essen zu kompensieren. Klappt im Allgemeinen nicht – wir tun es trotzdem. Auch seelische Not führt zu vermehrter Nahrungsaufnahme
  • Schlafmangel führt ebenfalls zu körperlichen Stress und damit wieder zum übermäßigen Futtern.
  • Langeweile – wenn du einfach nur so durch den Tag floatest, ist der Griff zur Chipstüte schneller, als wenn du beschäftigt bist.
  • In Wachstumsphasen will der Körper ganz viel Energie. Hier sind solche Heißhungerattacken auch noch einigermaßen ok. Blöd nur, dass du mit Anfang 20 leider nicht mehr im Wachstum bist – sorry. 

Die Ursache dafür liegt laut Wissenschaft wahrscheinlich in deinem egoistischen Gehirn. Die sogenannte „Selfish-Brain-Theorie“ besagt, dass das Gehirn zuerst sich selbst mit energiereichem Traubenzucker, aka Glukose, versorgen will, bevor andere Organe, Muskeln oder Zellen darauf Zugriff bekommen.

Ganz besonders, wenn dein Gehirn gestresst ist, meint es, nur Kalorien können es retten. Zack, Heißhungerattacke. Mit dem Wort Stress werden viele Einflüsse abgedeckt. Nicht nur unser Stressgefühl ist damit gemeint, sondern alles, was das Gehirn in seinem geregelten Arbeiten beeinflusst. Von tatsächlichem emotionalem Stress bis hin zu Unterzuckerung ist alles gemeint. 

Das kannst du gegen Heißhunger-Attacken tun:

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  • Nüsse! – Sind lecker und gesund. Dank der Fette stillen sie den Heißhunger.
  • Bitterstoffe – da gibt es ganz viele Optionen, zum Beispiel Tee oder Tropfen.
  • Zähne putzen – mit dem erfrischenden Geschmack im Mund, willst du nix Süßes mehr.
  • Eier, weil die sofort eventuell fehlendes Eiweiß abdecken - das Gleiche gilt für Hülsenfrüchte.
  • Wasser, mitunter verwechselt man Durst mit Hunger.
  • Obst oder Gemüse.
  • warme Gemüsebrühe – sie füllt sofort den Magen.
  • regelmäßiger Sport – der sorgt dafür, dass dein Energielevel ausgeglichener bleibt.

Persönlicher Tipp: schnappt dir ein(!) Stück Schoki und dann einen Apfel oder Nüsse. Dann habt ihr die Schokolade aus dem Kopf, das Verlangen ist gestillt und trotzdem bist du nicht vollkommen eskaliert. 

Essen soll unserem Körper Energie geben und uns guttun. Wenn du es schaffst, einigermaßen ausgewogen zu essen, ist alles gut. Hin und wieder mal eine Heißhungerattacke ist auch kein Alarmsignal. Aber wenn du merkst, dass etwas an deiner Ernährung aus dem Ruder läuft, solltest du reagieren und eventuell schauen, ob Nahrung für dich einen anderen Stellenwert eingenommen hat – zum Beispiel als Trostspender. Je schneller du solche Zusammenhänge erkennst, umso schneller kannst du reagieren und das Ruder wieder herumreisen!

(AOK/in form/Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft/CHHI)

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