Körpergefühl

Crash Diät oder Ernährungsumstellung?

Torso und Beine von zwei Menschen, die nebeneinander sitzen und jeweils eine Schüssel Salt in den Händen halten.
Du möchtest gesünder essen? (Foto: ©stock.adobe.com/william87)
Deine Lieblingsteile sind seltsam eng geworden und trotz Body Positivity würdest du gerne wieder reinpassen. Was jetzt? Crash-Diät oder Ernährungsumstellung?
Montag, 06.05.2024, 12:00 Uhr, Autor: Sandra Lippet

Ein bisschen Gewicht verlieren für den Wohlfühlfaktor – dagegen spricht nichts. Vor allem nicht, wenn eines deiner Ziele ist einfach fitter und gesünder zu sein und das auch zu spüren. Aus einem falschen Schönheitsbild heraus oder dem Drang unbedingt wie ein „Standard-Mensch“ aussehen zu wollen, solltest du das aber nicht tun. Denn egal, wie du aussiehst, ich sage dir eins: Das hast du nicht nötig!

Unter den Abnehm-Verfechter:innen gibt es zwei ganz klare Oppositionen: die einen wollen unbedingt – koste es, was es wolle – ganz schnell möglichst viel an Gewicht verlieren; die anderen wollen gemütlicher und nachhaltiger über einen längeren Zeitraum abnehmen. In kurz: Crash-Diät versus Ernährungsumstellung. 

Und weil so ziemlich alles im Leben Vor- und Nachteile hat, habe ich dir von den Diätassistentinnen Jana Mihalko und Mia Stegmann und dem Ökotrophologe Alexander Römer ein paar Fragen zu Crash-Diäten und zur Ernährungsumstellung beantworten lassen.

Wofür sind Crash-Diäten sinnvoll, wofür nicht?

Du möchtest für ein besonderes Event ein paar Kilos runterhaben – dafür ist eine Crash-Diät fein, aber um längerfristig abzunehmen und das neue Gewicht auch zu halten – nein.

Crash-Diäten können zu Nährstoffmangel, Stoffwechselstörungen und dem gefürchteten Jojo-Effekt führen.

Crash-Diäten sind für Kurzzeiterfolge gedacht, frei nach dem Motto „besser heute als morgen“. Sie zielen darauf ab, durch großen Verzicht und sehr strikte Regeln in kürzester Zeit so viel Körpermasse wie nur irgend möglich verschwinden lassen – und das funktioniert auch, jedenfalls kurzzeitig.

Es verschwinden aber bei Crash-Diäten als Erstes die Wasserspeicher, heißt: Es wird kaum Fett, sondern Wasser abgenommen. Und die verlorenen Kilos, ändert man seine Essgewohnheiten nicht, können nach der Diät wieder (sehr schnell) angesetzt werden.

Gefahren von Crash-Diäten?

Laut Stegmann geht jede Diät, bei der wir über 1 kg Gewicht pro Woche verlieren, meistens auf Kosten unserer Muskelmasse. Bedeutet: anstatt überschüssiges Fett abzubauen, wird die gesunde Muskelmasse abgebaut. Muskeln sind u. a. wichtig für die Stoffwechselfunktionen und den Grundumsatz. 

Das bedeutet, nach einer Crash-Diät haben wir weniger Muskeln, dem Körper wichtige Nährstoffe verwehrt, einen niedrigeren Grundumsatz und somit eine schlechtere Ausgangssituation als vor der Crash-Diät.

„Generell ist die Gefahr bei Crash-Diäten“, nach Römer, "dass unser Körper dadurch in einen verlangsamten Stoffwechsel verfällt – also quasi in den Energiesparmodus schaltet. Ganz früher war das total sinnvoll: Da gab es nun mal Phasen – Tage oder sogar Wochen – in denen kein oder kaum Essen verfügbar war.  Da war es ein evolutionärer Vorteil, Energie sparen zu können. Auch wenn das natürlich ein Stück weit auf Kosten der Leistungsfähigkeit ging."

"Wenn wir unsere Energiezufuhr einschränken, also unter den eigentlichen Bedarf senken, erreichen wir zwar ein Energiedefizit. Die Fettreserven werden mobilisiert und man nimmt ab. Aber gleichzeitig startet man eben auch den verlangsamten Stoffwechsel.

Und der ist nicht auf Knopfdruck wieder hochgefahren, sobald ich mich wieder ausgewogen ernähre. Es dauert ein paar Tage oder Wochen, bis der normale Stoffwechsel sich wieder eingestellt hat", erklärt Alexander Römer weiter.

Wie kommt es zum gefürchteten Jojo-Effekt?

"Beende ich nun die Crash-Diät, passiert Folgendes: Ich habe wieder eine Energiezufuhr, die vielleicht zu meinem eigentlichen Bedarf passt, und trotzdem habe ich zunächst aufgrund des „Energiesparmodus“ einen Überschuss. Das Resultat: Ich nehme wieder zu! Das ist dann genau dieser „Jojo-Effekt“", sagt Römer.

Und der ist mit sehr viel Frust verbunden: man nimmt erst ab, stellt dann vielleicht sogar seine Ernährung um – und nimmt trotzdem wieder zu! Das ist natürlich ein absoluter Motivationskiller!

Wie kann ich am besten meine Ernährung umstellen?

„Ernährung ist ein Thema, das wir nicht pauschalisieren können. Jeder Mensch ist individuell, hat verschiedene Essgewohnheiten, Vorlieben und Aversionen. Außerdem haben wir verschiedene Veranlagungen, Erkrankungen und Lebensstile“, informiert uns Mia Stegmann. "Somit ist es einfach nicht möglich, mit einer Ernährungsform alle Menschen zu erreichen. Eine Ernährung sollte an die individuellen Gegebenheiten angepasst werden, um damit verschiedene Ziele zu erreichen."

Das Eine ist: realistisch bleiben und nicht zu viel von sich erwarten; das Andere ist: sich seiner eigentlichen Motivation überhaupt bewusst sein.

Damit meint Römer: "Realistisch heißt: nicht zu erwarten, dass man innerhalb kürzester Zeit 10-20 kg verliert, sondern, dass man vielleicht 1-2 kg pro Monat abnimmt – und das ohne irgendwelche Crash-Diäten, einfach nur durch eine Ernährungsumstellung."

Wichtig ist für ihn auch die Frage nach der Motivation, also: "Was motiviert mich denn dazu, meine Ernährung umzustellen? Ist es mehr Wohlbefinden, bessere Gesundheit, höhere Leistungsfähigkeit oder mein Aussehen? Stehe ich da wirklich selbst dahinter – oder wird das von Außen an mich herangetragen?"

Jana Mihalkos praktische Tipps für die Umsetzung

  • Informiere dich über gesunde Ernährung und mache dir bewusst, wie welche Lebensmittel auf den Körper wirken
  • Gehe dann schrittweise bei deiner Umstellung vor:
  • Definiere kleine und realistische Ziele
  • Führe diese kleinen Veränderungen, wie bspw. mehr Obst und Gemüse essen, ausreichend Wasser trinken, weniger verarbeitete Lebensmittel konsumieren und Co. dann langsam ein

    Die Planung und Vorbereitung von Mahlzeiten kann ebenfalls dazu beitragen, dass die Umstellung erfolgreich ist. Und vergiss nicht, Geduld mit dir selbst zu haben – es ist ein Prozess!

    Wie lange braucht der Körper für eine Ernährungsumstellung?

    "Die Zeit, die dein Körper braucht, um sich an eine neue Ernährung zu gewöhnen, kann variieren und hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie deiner aktuellen Ernährung, deinem Stoffwechsel, deiner Gesundheit und deiner genetischen Veranlagung", erklärt Mihalko und weiter:

    "In der Regel dauert es jedoch etwa zwei bis vier Wochen, bis dein Körper sich an Veränderungen gewöhnt hat und du möglicherweise positive Effekte bemerkst. Es ist wichtig, konsequent zu bleiben und Geduld zu haben, da langfristige Veränderungen Zeit brauchen, um sich zu manifestieren."

    In der Praxis sehen wir, dass es oft sehr schnell gehen kann und der Körper sich rasch an die neuen Gegebenheiten anpasst. Gerade beim Thema Gewichtsreduktion müssen unsere Patient:innen oft sogar „mehr essen“, nur eben eine andere Essstruktur einhalten und die Energieaufnahme besser über den Tag verteilen.

    Dass sich unser Körper generell gut auf neue Umstände einstellen kann und darauf sogar eigentlich sehr gut vorbereitet ist, bestätigt auch Römer. "Es kann aber natürlich sein, dass kurzfristig Beschwerden auftreten. Das hängt bspw. damit zusammen, dass der Körper sich auf die aktuellen Gegebenheiten eingestellt hat, z. B. unser Darm und die darin lebenden Mikroorganismen. Wenn ich jetzt die Ernährung umstelle, muss sich der Darm anpassen: Da werden Verdauungs-Enzyme und Aufnahme-Wege plötzlich in einem ganz anderen Verhältnis benötigt als vorher. Bis der Darm sich darauf eingestellt hat, kann es eine Weile dauern."

    "Natürlich ist das sehr individuell und hängt davon ab, wie sehr die neue Ernährung von der alten abweicht – also wie radikal die Umstellung ist," fügt er hinzu.

    Wie lange dauert es, bis man mit Ernährungsumstellung abnimmt?

    Generell ist das Körpergewicht immer ein Resultat aus der Energiezufuhr und aus dem Energieverbrauch. Je mehr Nahrung ich zu mir nehme, desto mehr Körpergewicht habe ich – bis irgendwann ein Gleichgewicht entsteht. Denn eine größere Masse braucht auch mehr Energie."

    "Unser Körper speichert überschüssige Energie in Form von Fett ab. Früher war das ein evolutionärer Vorteil, Energie für schlechte Zeiten vorrätig zu haben“, erklärt Römer. "Heute fällt uns das auf die Füße, weil Nahrung im Prinzip immer zur Verfügung steht und natürliche Fastenzeiten entfallen."

    "Um abzunehmen, brauche ich ein Defizit zwischen der Energiezufuhr und meinem Energieverbrauch – und je nachdem, wie groß das Defizit ist und auch wie lange ich es schaffe, das durchzuhalten, nehme ich schneller oder langsamer ab", sagt Römer

    Für eine nachhaltige und gesunde Gewichtsabnahme ist es ratsam, langfristig zu denken. Ein gesundes Ziel ist eine Gewichtsabnahme von etwa 0,5 bis 1 kg pro Woche. Das erfordert Geduld und Konsequenz bei der Ernährungsumstellung über einen längeren Zeitraum.

    Stegmann fügt hinzu: "Wurden häufig Diäten und Fastenkuren gemacht und sich nur sehr wenig bewegt, ist der Stoffwechsel oft am Boden und der Körper eigentlich total unterversorgt. Der Körper muss dann erstmal umgewöhnt werden und es kann etwas länger dauern, bis Fortschritte auf der „normalen Waage“ sichtbar werden. Hat man sich viel bewegt und bisher einfach ungünstig gegessen, kann es durch eine Mahlzeiten-Optimierung, auch schon in den ersten 1-2 Monaten gut vorangehen."

    Gewichtsverlust ist nicht das einzige Maß für Erfolg. Verbesserungen der Gesundheit und des Wohlbefindens sind genauso wichtig.

    Gibt es überhaupt eine andere gesunde Möglichkeit, längerfristig Gewicht zu verlieren und zu halten, außer durch eine Ernährungsumstellung (und Sport)?

    "Nein, auf eine gesunde Art und Weise kann das aus meiner Sicht tatsächlich nur durch eine Umstellung des Ernährungs- und Bewegungsverhaltens passieren: Dadurch erreicht man dann zunächst ein Energiedefizit und verliert an Gewicht. Und langfristig stellt sich dann eben ein Gleichgewicht ein – bei einem niedrigeren Körpergewicht", sagt Römer.

    Er macht auch darauf aufmerksam, dass es noch individuelle Möglichkeiten gibt abzunehmen, wenn beispielsweise Krankheiten, Allergien oder Unverträglichkeiten im Spiel sind – kann die Behandlung davon alleine sich schon im Gewicht widerspiegeln. 

    Nach Jana Mihalko besteht eine nachhaltige Möglichkeit, Gewicht zu verlieren und zu halten auch darin, "langfristig eine ausgewogene Ernährung und regelmäßige Bewegung beizubehalten."

    Es ist immer sinnvoll überschüssiges Fett durch  Ernährungsumstellung und Sport abzubauen und Muskeln  aufzubauen. Das hält langfristig fit, steigert den Energieverbrauch und hilft uns das Gewicht zu halten. Ernährungsumstellung klingt  als dürfe man nie wieder Süßes oder Co. essen. Das ist nicht wahr. Es geht um Balance, Struktur und mehr Achtsamkeit beim Essen.

    Du möchtest dich gerne individuell beraten lassen? Unsere Expert:innen bieten Diätassistenz und/oder Ernährungsberatung online und vor Ort an – auf die jeweilige Homepage kommst du mit einem Klick auf den Namen:

    (Mihalko/Römer/Stegman/SALI)

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