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Extrem bewegen: 100 km Mammut-Marsch

Ingo und seine Frau am Ziel des Mammutmarsches in München.
Ingo ist 100 km in 24 Stunden gegangen. (Foto: ©Karbunara)
An die eigenen Grenzen gehen – das hat Ingo dieses Jahr getan: 100 km in 24h. Wie sich das angefühlt hat und mehr? Wir haben mit ihm darüber gesprochen. 
Donnerstag, 31.10.2024, 12:00 Uhr, Autor: Sandra Lippet

Bist du schon mal richtig lange spazieren gegangen oder wandern? Dann weißt du, dass auch das total anstrengend und herausfordernd sein kann. Was aber, wenn man 100 km in 24 h zurücklegt – und das ebenfalls zu Fuß.

Im September war mein Kumpel Ingo bei seinem ersten 100-KM-Mammut-Marsch in München mit dabei. Er hat durchgezogen und das Ziel nach ziemlich genau 24 h erreicht. Ob und wie man sich auf so eine Strecke vorbereitet, was so eine Erfahrung bringt und was man dabei lernt? Wir haben uns mit Ingo unterhalten ... 

Ich werds nochmal machen, auf jeden Fall. 

Ingo Karbunara

100-KM-Marsch: Wieso hast du dich dafür angemeldet?

Das ist eine gute Frage (lacht) … Warum? Ich wurde gefragt, ob ich’s machen möchte, von jemandem, der schon mal dabei war. Am Anfang hab ich gesagt: Ne, ich machs nicht.

Aber dann waren wir im Urlaub und ich hab gemerkt: Doch, das Gehen macht Spaß - und dann hab ich mich angemeldet, also für den kurzen Marsch, die 55 km und das hat mir gefallen. Den bin ich alleine gegangen und hab mir vorgenommen: Gut, dann mach ich auch die 100 km

Sollte man sich vorbereiten? Wann hast du mit dem Training angefangen und wie hast du trainiert?

Es gibt Leute die machens (als Anfänger:innen) auf einmal, die sind völlig verrückt. Die melden sich an und ziehens durch. Aber ich war froh, dass ich geübt habe. Ohne Übung wärs schief gelaufen. 

Ingo Karbunara

Ich hab wirklich ein halbes Jahr trainiert, also immer wieder. Mal 45 km, mal 55 km, alles so ein bisschen in die Richtung. Im März hab ich angefangen, also mit der Idee das zu machen – der 100-KM-Marsch war dann im September. 

Gehen ist sehr gesund. Hast du beim Training bemerkt, dass sich deine Fitness, Ausdauer, dein Mindset verbessert hat? 

Eher in Richtung Mindset: Vom Kopf her bringts mir wahnsinnig viel. Einfach mal abzuschalten, sich auf sich selber konzentrieren, auf den eigenen Körper zu hören, den auch ein bisschen zu provozieren und zu gucken, was gibt der eigentlich her. Auch wirklich Grenzen austesten. 

Ingo Karbunara

Körperlich, mei – ich arbeite ja den ganzen Tag und bin da zu Fuß unterwegs – also das war eigentlich nicht das Thema. Da ging es eher ums Schuheeinlaufen. An der körperlichen Fitness, weiß ich nicht, ob ich einen Unterschied merke zu vorher, weil ich aber auch nebenbei noch anderen Sport mach. 

Wie sieht so ein Mammut-Marsch aus? Gibt es Pausen für’s Essen, Trinken und Co.?

Die Route steht davor schon fest, die kann man sich dann über eine App anschauen, das läuft dann nebenbei so mit. Die Strecke muss man dann auch einhalten, weil klar sonst verläuft man sich oder bescheißt sich selbst, wenn man Abkürzungen nimmt. Es war aber auch sehr gut ausgeschildert – ich hab die App fast nicht gebraucht. Wir haben uns trotzdem einmal verlaufen.

Es gibt ungefähr alle 20 km plus/minus Pavillons, wo Essen und Trinken ausgeteilt wird, teilweise warme Speisen, Suppen und sowas – was natürlich in der Nacht richtig geil ist, weil da kühlt man ja automatisch bisschen runter. Das Angebot ist ganz bunt aufgestellt ... viel mit Zucker und alles, was Energie bringt, Riegel und solche Sachen. An den Pavillons hat man auch die Möglichkeit, sich kurz zu waschen

Es ist echt gut organisiert. Man hat Leute, die einen motivieren, an den Stationen stehen, immer wieder einen netten Spruch bringen ...

Ingo Karbunara

Gibt es körperliche Beschwerden? Wobei helfen die Sanis?

Man ist angehalten, den Notruf zu wählen, wenn was ist. Aber es sind überall Ersthelfer:innen und Sanitäter:innen, also an den Stationen, die dann helfen können, wenn irgendwas wäre – gerade am Zieleinlauf dann auch.

Es passiert mal, dass die Müdigkeit kickt, klar 24 h am Stück und über Nacht. Plus die Anreise … also ich war an dem Tag über 32 h wach. 

Ingo Karbunara

Ansonsten alles, was mit den Beinen zu tun hat, natürlich. Die meisten, die ich jetzt gesehen habe, die hatten Probleme mit mega großen Blasen oder, dass die Gelenke geschmerzt haben – so sehr, dass es gar nicht mehr ging. Das hatte ich ja, also dass mein Knie nicht mehr wollte, gerade am Ende.

Wie gings dir bei dem 100-KM-Marsch? Höhen, Tiefen?

Am Anfang hab ich gesagt: ich versteh Leute nicht, die bei KM 95 abbrechen – jetzt versteh ichs. Es ist definitiv eine Herausforderung, die immer herausfordernder wird. 

Ingo Karbunara

Also ich kann durchaus verstehen, dass Leute da sagen: „Lass mal, ne, 5 km, das ist nochmal eine Stunde“, weil man mit der Zeit durcheinander kommt. Man denkt sich: Wow, ich hab schon 80 km geschafft – oder in meinem Fall die 70 km – und dann geht eigentlich schon der Endspurt los, aber nein. Das sind dann noch 20 – 30 km, also 6–7 h. Auch die letzten 10 km sind dann noch deutlich mehr als 2h, weil man automatisch langsamer wird. 

Bis KM 70 hatte ich echt Spaß, ab KM 70 hat dann irgendwann mein Knie wehgetan und das so dermaßen, dass es ab da wirklich ein Kampf war, weiterzumachen … umso näher man dem Ziel kommt, umso schlimmer wirds, finde ich

Beim Zieleinlauf habe ich Leute gesehen, die schon geschlafen haben oder von den Sanis gestützt wurden und solche Sachen … Ich hab das Ziel vor Augen gehabt und bei mir war das alles weg. Der Endspurt waren bei mir wirklich die letzten 100-200 m. Da hat mich echt die Euphorie gepackt, ich bin da durch und das war einfach nur geil. 

Wir waren eine Gruppe mit 4 Leuten und es hat sich ganz klar gezeigt: jeder tickt anders, jeder hat einen anderen Körper, jeder hat andere Probleme.

Ingo Karbunara

Wir 4 waren fast die ganze Zeit zusammen. Am Ende hat sich das ein bisschen aufgesplittet, weil die letzten paar Kilometer für jeden ein Kampf gewesen sind – und da kämpft dann jeder so auf seine Weise.  Wir sind so eine Viertelstunde nacheinander ins Ziel gekommen.

Wie hat es sich angefühlt, das geschafft zu haben?

Hammergeil. Ich hab mich wahnsinnig gefreut, dass ich abgeholt wurde ... Ich weiß nicht, wies mir gegangen wäre, wenn ich alleine durchgelaufen wäre – ich glaube da fühlt man sich verloren. 

Ingo Karbunara

Kannst du den Marsch weiterempfehlen?

Auf jeden Fall. Es ist unglaublich geil, v.a. was ich sagen muss oder was mir auffällt, ist, dass ich an dem Tag selbst, nach den 100 km, vollkommen euphorisch war und auch eine Zeit lang gebraucht hab, bis ich schlafen konnte.

Danach kamen einige Tage, wo ich körperlich einfach kaputt war. Ich hatte danach eine Woche Urlaub und die hab ich auch gebraucht, einfach zum Runterkommen und zum Erholen ... körperliches Erholen. Ich hab wahnsinnig viel geschlafen in der Woche ...

Der Marsch hat nachhaltig was mit mir gemacht. Also ich muss sagen, ich denk wirklich immer wieder mal drüber nach. Es ist einfach eine ganz eigene Erfahrung – ich hab das vorher auch nicht so gekannt, also a) die Grenzerfahrung und b), dass ich auch Wochen danach  noch von sowas zehren kann. Von diesem Stolz, dass man’s geschafft hat. 100 km sind wirklich verdammt lang. Das war schon echt krass, das geschafft zu haben. 

Ingo Karbunara

Hast du Tipps für Leute, die das auch mal machen wollen?

  • Die Pausen sollten nicht zu lang sein, weil das zum Problem werden kann: Viele denken „ich mach jetzt mal eine ausgiebige Pause“, aber dann kommst du nicht mehr hoch. Das ist echt schwierig, weil dann sind die Schmerzen wieder neu da.
  • In den Pausen dehnen - das schadet nie.
  • Eigenen Rhythmus finden. Jede:r hat seinen eigenen Rhythmus – da muss man auch ehrlich zu sich und zur Gruppe sein und dann auch sagen: „Hey, ich muss jetzt langsam machen/ ich muss jetzt schneller machen“ oder „Ich brauch jetzt noch eine extra Pause“.
  • Vorher auf jeden Fall mal üben – auch in verschiedenen Wetterlagen.
  • Ausrüstung testen und dem Wetter anpasseneingelaufene und gute Schuhe: Wanderschuhe oder Laufschuhe. Ganz wichtiger Punkt: wenn man vorher übt, die Ausrüstung mitnehmen zum Üben.  Weil dann weißt du auch, wie schwer darf mein Rucksack sein, was darf ich alles mitnehmen oder nicht.

Mein Tipp ist: Mit Leuten gemeinsam machen, die man kennt. Es ist gut eine Gruppe zu haben, in der man sich auch gegenseitig unterstüzt, motiviert und pusht. So eine Erfahrung ist auch eine Kopfsache. Das fängt sich am besten auf mit Leuten.

Ingo Karbunara

(Karbunara/SALI)

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