Selbstversuch

Stark mit Pilates

Fünf junge Menschen machen eine Pilates-Übung am Boden liegend.
Eine der wirklich fiesen Ganz-Körper-Übungen, die voll in den Bauch und Beine zieht. Nicht vergessen dabei: immer schön entspannt atmen. (Foto: © Fizkes/stock.adobe.com)
Bist du auf der Suche nach einem ganzheitlichen Training, das deine Muskulatur kräftigt, deine Flexibilität steigert und obendrauf noch deine Körperhaltung verbessert? Versuchs doch mal mit Pilates!
Montag, 04.11.2024, 11:00 Uhr, Autor: Christine Hintersdorf

Ich war vor ein paar Jahren auf der Suche nach einem Sport, den ich möglichst zu Hause machen kann und der den ganzen Körper auf Vordermann bringt. Ich wollte stärker und fitter werden. Unterstützung fand ich bei Barbara. Anhand ihrer DVDs habe ich mich ein halbes Jahr lang jede Woche zweimal (!) auf die Matte geworfen und mein Powerhouse trainiert.

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Das hat Spaß gemacht, also nachdem ich den Schock überwunden hatte, dass ich de facto keinerlei Kraft hatte. Mit Barbara Becker (yep, genau die) entwickelte ich mich vom Regenwurm, ohne jede Stabilität in der Körperhaltung hin zum einigermaßen aufrechten, stabilen Gang. Dann fing ich an, meine Abschlussarbeit zu schreiben und degenerierte wieder. Aber das ist ein anderes Thema. 

Was ist Pilates?

Pilates ist wider Erwarten kein Trend unserer Zeit.  Das Konzept ist am Anfang des letzten Jahrhunderts entstanden. Es geht zurück auf einen jungen Mann namens Joseph Hubertus Pilates. Der arbeitete laut Quellenlage als Brauereigehilfe und ging irgendwann nach England, um dort als Zirkusartist und „Römischer Gladiator“ sein Geld zu verdienen. Soweit die Legende.

Da er Deutscher war, gestaltete sich sein Leben in Großbritannien zunehmend schwierig. Mit Beginn des Ersten Weltkrieges landete er in einem Internierungslager. Um sich dort körperlich fit zu halten, entwickelte er Übungen für den ganzen Körper und gab diese auch an seine Mitinsassen weiter. 

Nach dem Krieg zog es ihn wieder nach Deutschland. In Hamburg hat er seine sportlichen Ambitionen weiter vorangetrieben. Er soll die dortige Polizei in Selbstverteidigung unterrichtet haben und zusätzlich als eine Art privater Fitnesscoach unterwegs gewesen sein.

Irgendwann machte er sich in die USA auf und öffnete sein eigenes Fitness-Studio, in dem Gebäude des New York City Ballet. So dürften sich auch die tänzerischen Elemente in seinem Konzept erklären und der Wandel vom Soldatentraining hin zu einem eher femininen Sport. 

Den ersten großen Boom erlebte der Trend dann in den 90er Jahren. Und er hat sich gehalten, denn bis heute gibt es eigentlich in jeder Stadt Kurse dazu. So viel zur Geschichte. 

Die 6 Grundprinzipien beim Pilates

Was dir jetzt vielleicht schon aufgefallen ist: hinter Pilates steht kein:e Mediziner:in, Physiotherapeut:in oder ein sehr gelenkiger indischer Mann. Es ist keine fundierte, wissenschaftlich erprobte Methode. Und um das auch gleich vorwegzunehmen, es gibt nicht die eine, einzig wahre Pilates-Art.

Im Laufe der Zeit haben sich verschiedene Richtungen entwickelt und da der Name nicht geschützt ist, kann sich auch wirklich jede:r der/die will als Pilates-Trainer:in anbieten. Es gibt Studios, die Pilates mit Geräten anbieten. Dort werden dann unter Anleitung und Begleitung stärkende Trainings-Sessions ausgeführt. Nachteil: diese Studios sind meistens recht preisintensiv. Andere bieten Wand-Pilates, Power Pilates oder Ähnliches an. Das alles sind Variationen, die dir offen stehen.

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Bei aller Vielfalt gibt es jedoch sechs Grundprinzipien, die jede Pilates-Übung bestimmen. Diese Prinzipien sind essenziell, um die Übungen korrekt und effektiv im Sinne des Erfinders auszuführen. Sie sorgen dafür, dass Körper und Geist gleichermaßen eingebunden werden. Sie lauten:

  • Konzentration
    Jede Bewegung wird bewusst und konzentriert ausgeführt. Du fokussiert dich vollständig auf deinen Körper und die korrekte Ausführung der Übungen. So wird die Effektivität gesteigert und die Verletzungsgefahr minimiert.
  • Kontrolle
    Alle Bewegungen sollen mit voller Kontrolle über den Körper und die Muskeln ausgeführt werden. Statt Schwung oder reiner Muskelkraft ist das Ziel, jeden Teil des Körpers unter bewusster Kontrolle zu bewegen, um Gleichgewicht und Koordination zu stärken.
  • Zentrierung
    Das Powerhouse – die Körpermitte, bestehend aus Bauch-, Rücken- und Beckenbodenmuskulatur – ist das Zentrum jeder Pilates-Bewegung. Hier wird die meiste Kraft aufgebaut und für die Bewegung in andere Körperteile genutzt. Eine stabile Körpermitte gibt Halt und unterstützt alle Bewegungen.
  • Atmung
    Die Atmung ist bewusst und tief, um die Muskeln optimal mit Sauerstoff zu versorgen. Dabei wird in der Regel durch die Nase eingeatmet und durch den Mund ausgeatmet. Die Atemtechnik hilft, die Anspannung und Entspannung im Körper zu regulieren und gibt den Übungen ihren Rhythmus.
  • Präzision
    Bei Pilates kommt es auf die exakte Ausführung an. Jeder kleine Bewegungsablauf wird bewusst ausgeführt, um bestimmte Muskelgruppen gezielt anzusprechen. Qualität der Bewegung steht über der Quantität, daher ist es besser, eine Übung präzise und langsam als schnell und unsauber auszuführen.
  • Fluss
    Die Bewegungen sollen fließend und ohne Ruck oder abrupte Stopps durchgeführt werden. Durch den kontinuierlichen Fluss entsteht ein harmonischer Bewegungsablauf, der die Übung sicherer macht.

Stärke dein Powerhouse

Die Übungen sollen also den ganzen Körper stärken und helfen, deine Haltung zu verbessern und deine Körperkraft zu steigern. Insbesondere den Rücken und Bauch. Ganz viel Wert wird dabei auf die Tiefenmuskulatur gelegt. Nach meinem Gefühl lernst du mit Pilates Muskelgruppen kennen, von denen du vorher dein ganzes Leben nix gespürt hast. Und davon gab es in meinem Fall erschreckend viele. 

Pilates kombiniert Ganzkörpertraining mit einer fließenden Atmung. Man verbindet die Ausatmung mit der Anspannung, das Einatmen erfolgt mit der Entspannung. Im Fokus steht dein „Powerhouse“ aka deine Körpermitte, das du durch langsame, hoch konzentrierte Bewegungen stärkst

Der Dreh- und Angelpunkt ist dein sogenanntes Powerhouse. Das ist das Dreieck aus Bauch-, Rücken- und Beckenbodenmuskulatur. Dieses soll dir die Kraft geben, dich im Alltag aufrecht zu halten. Man könnte auch sagen: es geht um deine Core Strength. Bei jeder Übungseinheit steht das Powerhouse im Mittelpunkt, oder mit anderen Worten – du hast nach jedem Training fiesen Muskelkater im Bauch.

Für wen eignet sich Pilates?

Die Sportart eignet sich für viele Menschen. Solltest du allerdings schon mit einem akuten Bandscheibenproblem gepeinigt sein, oder sehr heftige Gelenkprobleme haben, ist es vielleicht nicht die ideale Trainingsmethode. Vielleicht fragst du einfach deinen:r Hausarzt:in, ob er sein ok gibt. Ansonsten kann jeder sich in diesem Sport versuchen.

Pluspunkt: Da du nur mit deinem Körper arbeitest, ist auch das Verletzungsrisiko sehr gering.

Dabei spielt es auch keine Rolle, ob du sehr übergewichtig, massiv unsportlich oder ein:e Koordinationsverweigerer:in bist. Jede der Übungen ist leicht verständlich und lässt sich auf deinen Körper anwenden. Allerdings warne ich mal kurz vor. Viele Übungen sehen unfassbar leicht aus, aber ...

Die Herausforderung liegt in den Wiederholungen, bzw. dem Anhalten der Spannung. Dreimal das Bein heben ist easy. Aber bei Pilates werden die Bewegungen ohne Schwung gemacht, das heißt, du hebst das Bein langsam und mit eigener Kraft. Deswegen können dir bei drei Setzen a 15 Wiederholung eventuell schon mal die Tränen kommen, während dein ganzes Bein vor Anspannung zittert. 

Ist Pilates gut für die Figur?                                                   

Hola, die Waldfee, aber sowas von! Die Übungen straffen den ganzen Körper. Wer ordentlich dabei bleibt, wird definitiv eine deutliche Veränderung an sich selbst wahrnehmen. Noch besser fand ich aber, dass ich mehr Kraft in den Knochen hatte. Das habe ich dann auch im Alltag gemerkt. Das ganze Körpergefühl wird besser. Wie gesagt, die Voraussetzung ist, dass du es regelmäßig machst.

30 Minuten reichen eigentlich schon, um Erfolge zu sehen. Am besten mehrmals die Woche. Wie bei allen Sportarten, erzielst du mehr, wenn du öfter trainierst.

Pilates ist aber ganz sicher nicht der optimale Sport, um gezielt abzunehmen. Ich denke, das erreichst du mit anderen Sportarten zumindest schneller.  Allerdings hilft es sicherlich auf lange Sicht. Nicht nur, weil es dich fit hält und deinen Stoffwechsel ankurbelt, sondern weil die gestärkten Muskeln auch mehr Fett verbrennen und somit deinen Grundumsatz erhöhen, das heißt, du verbrauchst im Ruhezustand mehr Kalorien.

Nicht zuletzt hilft es enorm, wenn du nicht mehr wie ein Lurch in der Gegend stehst, sondern schön aufrecht und gerade. Der Effekt dahinter ist, dass deine Figur dadurch automatisch besser proportioniert wirkt – probiers mal vor dem Spiegel aus! Der Unterschied zwischen gerader Rücken, Bauch rein, Brust raus und Schultern zurück und der eher alltäglichen Fragezeichenform ist enorm!                           

Was für Übungen macht man bei Pilates?

Zeit, konkret zu werden. Wenn du mit Pilates starten willst, dann empfehle ich dir, im Netz zu gucken. Das Online-Pilates-Angebot ist mehr als reichlich. Beispielsweise Krankenkassen wie die AOK oder TKK haben auf ihrem Portal Online-Kurse für dich.

Schau mal bei deiner Krankenkasse, ob sie analoge oder digitale Angebote hat. Häufig werden diese auch finanziell gesponsert und sind für dein Konto leichter zu verkraften.

Die absolute Fundgrube ist natürlich YouTube. Hier gibt es für jedes Level Tutorials. Von super-soft zu Hardcore-Pilates ist alles dabei. Du kannst dir den/die sympathischste:n Vorturner:in aussuchen und gemeinsam eine komplette Trainingseinheit absolvieren. So eine „Stunde“ dauert meistens zwischen 30 und 45 Minuten. Das reicht dann aber auch. 

Dabei liegt der Vorteil von diesen Online-Tutorials auf der Hand. Die vorgeführten Anleitungen helfen dir, die Übungen korrekt auszuführen, und du merkst besser, worauf du achten musst. Viele YouTube-Turner geben noch dazu wertvolle Tipps und Hinweise, die dir helfen können. Außerdem hast du direkt eine:n Trainingspartner:in, der/die dich motiviert dran zu bleiben und durchzuhalten. So ganz alleine könntest du eventuell versucht sein, alles etwas kürzer und vor allem weniger anstrengend zu gestalten. 

Das Tolle ist, Pilates ist ein sehr preiswerter Sport, denn in seiner klassischen  Form brauchst du nicht viel außer einer Matte und bequemer Kleidung.

Nützlich können sein: Pilates-Ball, Ring, Block

Wenn du Lust hast, habe ich hier ein paar Übungen für dich

Die Brücke

  1. Du liegst flach mit dem Rücken auf dem Boden, deine Arme sind seitlich gestreckt am Körper.
  2. Jetzt stellst du die Füße auf und bringst deine Knie in einen 45-Grad-Winkel.
  3. Beim Einatmen spannst du Po, Rumpf und Beine an und hebst dein Becken langsam nach oben, dabei bilden dein Rücken und deine Oberschenkel eine Linie. 
  4. Du bleibst in dieser Position und tätigst fünf Atemzüge.
  5. Dann lässt du deinen Po und Rumpf wieder ganz langsam zu Boden sinken.
  6. Das wiederholst du zehnmal.

Mit dieser Übung stärkst du dein gesamtes Powerhouse!

Walking Plank

  1. Du liegst auf deinem Bauch, deine Hände hast du unter den Schultern abgelegt, deine Zehenspitzen sind auf dem Boden aufgestellt.
  2. Beine, Po und Rumpf langsam anspannen, deine Hände fest in den Boden pressen und dann langsam den gesamten Körper nach oben drücken. Dabei atmest du aus. Dein Gewicht liegt dabei nur auf den Händen und Zehenspitzen.
  3. Dein Körper bildet eine gerade Linie wie eine Planke und ist vollständig angespannt. Achtung: Du machst weder ein Hohlkreuz noch einen Katzenbuckel!
  4. Bist du in dieser Stellung stabil, fängst du an, abwechselnd dein linkes und rechtes Knie zum Bauch zu ziehen. Jede Seite dreimal. Vergiss nicht, gleichmäßig zu atmen!
  5. Wieder sanft zu Boden gehen, dabei eintamen, kurz ausruhen und dann von vorne.

Die Übung trainiert deinen Körper von den Zehenspitzen bis zum Nacken

Was ist der Unterschied von Yoga zu Pilates? Yoga hat einen spirituellen Überbau. Es ist Teil einer jahrtausendealten Philosophie, bei der es um sehr viel mehr als „nur“ körperliche Ertüchtigung geht. Am Ende steht beim Yoga die geistige Erleuchtung. Beim Pilates gibt es keine höhere Lehre. Es geht einzig um die Stärkung des Körpers, wenn auch im Einklang mit dem Geist. 

Du siehst, Pilates ist ein sehr achtsamer, ruhiger Sport. Du bringst alles mit ein. Deinen Körper, aber eben auch deine mentale Konzentration. Das hat mir persönlich sehr gefallen, da auch mein Körper-Bewußtsein damit anstieg.

Am Anfang habe ich diesen Sport als sehr anstrengend empfunden, ich habe allerdings sehr schnell gemerkt, wie meine Muskelkraft sich verbessert hat. Ich persönlich mochte, dass die Bewegungen im Einklang mit der Atmung ausgeführt werden und es eine so ruhige Atmosphäre ausstrahlt.

Möchtest du dich lieber heftigst auspowern, durch ganz viel Bewegung Energie ablassen und motivierend angebrüllt werden, ist das eher nicht deine Sportart. Dann vielleicht doch irgendwas mit Mannschaft und Ball oder Zirkeltraining. Für alle anderen kann ich Pilates nur empfehlen

(AOK/TKK/CHHI)

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