Revenge Bedtime Procrastination
Wenige kennen die Bedeutung des Begriffs Revenge Bedtime Procrastination – aber vielen sagt das Phänomen etwas: man geht (immer) später schlafen, um mehr Zeit für Freizeitaktivitäten/sich selbst zu haben – und das hat zur Folge, dass man sich am nächsten Morgen nicht ausgeschlafen, sondern komplett fertig, fühlt.
Seit einigen Jahren kursiert zu dem Thema so einiges auf diversen Social-Media-Plattformen und es wird auch in der Schlafforschung behandelt. Wir haben uns gefragt: Was genau ist Revenge Bedtime Procrastination, wie entsteht das Phänomen und was kann man tun, um das Verhaltensmuster zu durchbrechen?
Definition Revenge Bedtime Procrastination
Die bewusste Entscheidung, länger wach zu bleiben und dadurch weniger zu schlafen, wird als Revenge Bedtime Procrastination bezeichnet. Dabei handelt es sich aber um keine Krankheit oder dergleichen, sondern eine Art Muster, das sich zusammensetzt aus den Komponenten:
- Schlaf zu Gunsten von mehr Me-Time opfern, ohne anderen triftigen Grund,
- obwohl du weißt, dass du eigentlich wirklich schlafen solltest
- und dadurch allgemein weniger Stunden/zu wenig schläfst.
Der Begriff stammt übrigens ursprünglich aus China und das vorgeschobene Revenge, bedeutet soviel wie: Rache daran nehmen, dass tagsüber nicht viel Zeit für einen selbst war – also holt man sie sich abends zurück.
Revenge Bedtime Procrastination – in Short:
Tagsüber kannst du dir nicht ausreichend Zeit für dich selbst nehmen, deswegen machst du das abends. Me-Time ist dir dann wichtiger als dein Schlaf, deswegen zögerst du aktiv und ohne anderen Grund das Schlafengehen raus – und bist am nächsten Morgen dann ziemlich müde.
Jetzt denkst du vielleicht: kann ja mal vorkommen, und damit hast du natürlich recht. Du bist erst von dem Phänomen betroffen, wenn alle Komponenten zutreffen und das über einen längeren Zeitraum; heißt: mehrere Tage pro Woche und mehrere Wochen hintereinander.
Was sind die Gründe für Bedtime Procrastination?
Ich schaue noch kurz die Folge fertig, dann geh ich ins Bett – wer hat sich das noch nicht gedacht und sich dann dabei ertappt doch noch eine Episode anzusehen und dann noch eine? Und das alles, obwohl man weiß, dass sich das am nächsten Morgen rächen wird. Wieso also macht man das?
In Zeiten von Social Media und Streaming-Anbietern wird es immer schwerer sich von der Technik zu lösen und endlich ins Bett zu gehen, das ist aber nur ein Ansatz dafür, wieso immer mehr, und vor allem junge, Menschen das Schlafengehen rauszögern.
Denn auch die Leistungsgesellschaft trägt ihren Teil zur Revenge Bedtime Procrastination bei: viele haben einen so mit Arbeit/Studium, Haushalt, Freizeit, anderen Verpflichtungen und Aufgaben vollgestopften Alltag, dass sie dabei selbst auf der Strecke bleiben. Da aber jeder Mensch eine gewisse Me-Time für sich braucht, wird dann eben versucht diese spätabends nachzuholen.
Zwar sind Digitalisierung – bis hin zur Sucht – und Leistungsdruck/Stress die Hauptgründe für Revenge Bedtime Procrastination, sie kann aber auch durch andere Faktoren begünstigt werden:
- Welcher Typ Mensch du bist: sog. Nachteulen neigen einfach aufgrund ihrer inneren biologischen Uhr und Co. dazu länger aufzubleiben und vor allem die Stunden spätabends und nachts zu genießen – was aber schnell zum Problem wird, wenn man regelmäßig morgens früh aufstehen muss.
- Wie organisiert du bist: kannst du schon tagsüber genug Pausen und Me-Time für dich einplanen, sinkt dein Risiko in das Revenge-Bedtime-Procrastination-Muster zu verfallen erheblich.
- Wie gut du dich selbst im Griff hast: fällt es dir eher schwer eigene Grenzen zu setzen und einzuhalten – und/oder bist du nicht sehr gut in Selbstbeherrschung und zögerst Aufgaben und Co. allgemein gerne länger hinaus, kann dich das anfälliger für das Phänomen machen.
Physische und psychische Folgen
Das wohl größte Problem an einer andauernden Revenge Bedtime Procrastination ist der Schlafmangel. Denn dazu kommt es früher oder später – und auch wenn der/die eine oder andere jetzt denken mag ‚passt schon‘, das tut es leider nicht.
Ausreichender Schlaf ist wichtig für so einiges, ein gutes Energielevel z. B., die Konzentrationsfähigkeit, Leistungsfähigkeit, Motivation, den Stoffwechsel, die Laune. Wer über lange Zeit an Schlafmangel leidet, neigt zur Fehleranfälligkeit, dauernder Müdigkeit auch tagsüber, Unausgeglichenheit und Gereiztheit, kann sich nur noch schwer konzentrieren und fokussieren. Ob im Job, beim Familienausflug oder bei einer Prüfung – es ist nicht sonderlich angenehm und durch längere Schlafphasen auch absolut vermeidbar.
Schlafmangel ist unschön, denn
er kann ein erhöhtes Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko, Demenz, hohen Blutdruck und Diabetes als Langzeitfolgen mitbringen.
Neben körperlichen kann die Bedtime Procrastination aber auch mit psychischen Auswirkungen zusammenhängen. Betrachtet man nämlich den Ursprung oder Grund des Phänomens, fällt auf, dass es sich oft zeigt, wenn Menschen wenig Zeit, aber viel Stress haben und Selfcare definitiv zu kurz kommt. Viel zu viel Druck und Stress können auf Dauer zu einem Burnout führen, zu wenig Zeit für sich, Me-Time und Selfcare kann auch schon mal in eine depressive Verstimmung umschlagen – und das ist definitiv ungut.
Solltest du das Gefühl haben aufgrund von Leistungsdruck auszubrennen, dich absolut nicht mehr um dich kümmern zu können, unter Revenge Bedtime Procrastination und/oder Schlafmangel zu leiden und selbst nicht aus dieser Situation rauszukommen, such dir professionelle Hilfe. Du musst da nicht alleine durch.
Zwischenfrage: Ist Prokrastination allgemein nicht einfach nur Faulheit?
Viele verbinden Prokrastination mit Faulsein – und das ist nachvollziehbar, weil es bei beidem erstmal ums Aufschieben von Dingen geht, die als unangenehm empfunden werden. Aber der große Unterschied dabei ist der Grund, also warum etwas aufgeschoben wird.
Bei der Prokrastination spielen oft tieferliegende Ursachen eine Rolle, bspw. eine Blockade, (Versagens-, Verlust-, oder andere) Ängste, das Gefühl noch nicht bereit zu sein, Überforderung oder Erschöpfung. Das Aufschieben passiert hier meistens eben nicht aufgrund einer ‚Keinen-Bock-Einstellung‘ und auch selten bewusst, sondern unterbewusst. Menschen, die bei einer bestimmten Aufgabe prokrastinieren, gehen aber i. d. R. während dem Aufschieben einer anderen Aufgabe nach, machen also eben nicht nichts.
Für das Überwinden der Prokrastination ist es wichtig, sich selbst ehrlich die Frage zu beantworten, warum man etwas aufschiebt und sich dann zu motivieren, das eben nicht mehr zu tun.
Was hilft bei der Revenge Bedtime Procrastination?
Dir kommt das Phänomen seltsam bekannt vor oder du befindest dich mitten drin, spürst vielleicht langsam schon die Folgen des Schlafmangelns und möchtest etwas ändern? Dann bist du hier genau richtig, wir haben uns nach einfachen aber effektiven Methoden umgesehen, die dir helfen wieder früher ins Bett zu kommen, länger zu schlafen – und trotzdem etwas Me-Time für dich zu haben.
Tipps zum Gegenwirken
- Work-Life-/Study-Life-Balance ausgleichen: versuch dir auch tagsüber und am Wochenende Zeiteinheiten für dich zu nehmen, Dinge zu tun, die dir Spaß machen und auch mal ein Nickerchen einzubauen. Plan das fest in deine To-Do-Liste mit ein, damit du es nicht vergisst – schieb diese Me-Time auch nicht auf, denn sie ist sehr wichtig!
- Digital Detoxing, wenigstens kurz vor dem Schlafengehen: Bildschirm aus, Handy weglegen – mindestens eine Stunde bevor du ins Bett gehst, wird das empfohlen, um dich von all den Reizen abzuschotten und runterzufahren. Am besten ist es, wenn du dein Smartphone nicht mit ins Bett nimmst, um unterbewusstes ewiges Weiterscrollen zu vermeiden. Wenn du dir selbst nicht genug traust, dass wirklich durchziehen zu können, kannst du dir zur Selbstkontrolle einen App-Timer einstellen – siehe unten.
- Zubettgehen-Gewohnheiten etablieren: Dein Schlafrhythmus und dein Erholungsgefühl werden sich verbessern, wenn du jeden Tag ungefähr zur selben Zeit ins Bett gehst und aufstehst. Das ist schwierig richtig durchzuhalten, weil ja eigentlich immer etwas ist und man an manchen Tagen zu viel zu tun hat, als an eine feste Schlafenszeit zu denken. Auch da kannst du dich aber selbst unterstützen, indem du unter der Woche einen ’Nacht-Wecker’ einstellst, bspw. um 22:00 Uhr – um dich daran zu erinnern, dass es vielleicht langsam an der Zeit wäre ins Bett zu gehen. Du kannst dir auch angewöhnen vor dem Schlafengehen kurz zu meditieren oder in dein Journal Tageseindrücke zu schreiben, um besser abzuschalten und den Kopf freizubekommen.
- Gemütlichkeit und Schlummeratmosphäre schaffen: Wir können besser zur Ruhe kommen, einschlafen und durchschlafen, wenn wir uns wohlfühlen – und wir werden biologisch betrachtet auch eher müde, wenn es dunkel ist. Das heißt: versuch abends mit fortschreitender Uhrzeit das Licht zu dimmen oder wechsel gleich zu Lichterketten oder Kerzen anstatt der Deckenbeleuchtung. Achte darauf, dass dein Bett bequem ist und dein Schlafzimmer sich für dich gemütlich anfühlt. Das kannst du durch Farben, blickdichte Vorhänge, Deko, indirektes Licht oder auch Kuscheldecken und Co. recht unkompliziert hinbekommen.
- Abends Sport und koffeinhaltige Getränke vermeiden: mach dein Workout zum Auspowern lieber tagsüber, denn wenn weniger als eine Stunde zwischen der sportlichen Betätigung und dem Schlafengehen liegt, ist dein Körper noch zu aufgedreht, um runterzufahren. Auch Energiedrinks, Kaffee und Co. solltest du spätnachmittags/abends nicht mehr trinken, weil es sonst zu Einschlafproblemen kommen kann. Hier wird empfohlen 6 Stunden vor dem ins Bett gehen kein Koffein mehr zu konsumieren.
App-Timer
Setze dir selbst ein Zeitlimit für diverse Apps, bspw. YouTube, TikTok und Insta, über die Smartphone-Funktion ‚App-Timer‘, um zu verhindern ewig weiterzuscrollen.
(sleepfoundation/national library of medicine/sleepopolis/geo/SALI)