Die Kunst Stärken & Schwächen im Vorstellungsgespräch richtig einzusetzen
Das erste persönliche Kennenlernen mit eine:r potenziellen Arbeitgeber:in kann nervenaufreibend sein. Insbesondere dann, wenn Fragen gestellt werden, auf die du nicht vorbereitet warst. Ob direkt oder indirekt – diese Fragen kommen so sicher wie das Amen in der Kirche – und du solltest vorbereitet sein.
Das wird auch von dir erwartet. Wer bei den Themen Stärken und Schwächen erst überlegen muss und sich unbedacht äußert, sammelt garantiert keine Pluspunkte.
Warum fragen Arbeitgeber nach Stärken und Schwächen?
Durch deine Antworten erfährt der/die Arbeitgeber:in viel über deine Persönlichkeit, deine Selbstreflexion und deine Fähigkeit zur Selbstverbesserung.
Außerdem kommt zum Vorschein, wie gut du mit den Anforderungen der Position im Einklang stehst, ob du zum Beispiel in der Lage bist, in einer teamorientierten Umgebung zu arbeiten und ob du zur Unternehmenskultur passt.
Die Art und Weise, mit der du deine Stärken und Schwächen darstellst, lassen auch Rückschlüsse auf deine Kommunikationsfähigkeiten und deine emotionale Intelligenz zu.
Wer bei der Beantwortung dieser Fragen deutlich und positiv kommuniziert, ist klar im Vorteil.
Von welchen Stärken und Schwächen solltest du im Vorstellungsgespräch erzählen?
Ehrlichkeit ist der Schlüssel zum Erfolg – weil man dir mit großer Wahrscheinlichkeit anmerken wird, wenn du nicht authentisch rüberkommst. Obendrein sind Schwächen keine Schande, denn jede:r von uns hat welche! Sogar Genies. Lionel Messi etwa gilt als brillantester Fußballer aller Zeiten, aber seine Kopfballkünste sind alles andere als weltmeisterlich.
Deshalb überlege gut, was wirklich deine Schwächen sind, und wähle idealerweise welche aus, die für die angestrebte Position nicht von entscheidender Bedeutung sind, sodass diese nicht wirklich relevant wären, wenn du den Job bekommst.
Solltest du also eine Schwäche für Süßigkeiten haben, behalte es besser für dich, weil es für deine Aufgaben im Job keinerlei Relevanz hat.
Stärken und Schwächen darf man nicht losgelöst betrachten von dem Gebiet, auf dem man sich beruflich bewegt
Der oft als „Bewerbungspapst“ titulierte Berliner, Ulrich Hesse, ist ein renommierter Karriereexperte, der zahlreiche Bestseller im Bereich Bewerbung und Karriereentwicklung verfasst hat. Im Interview mit uns gibt er Tipps für den Umgang mit Stärken und Schwächen im Vorstellungsgespräch.
Öffne dich, ohne zu viel preiszugeben
„Es ist die Kunst der Recruiter, ihre Fragen nach Stärken und Schwächen so zu entwickeln, dass sie möglichst viele Informationen bekommen“ erklärt Jürgen Hesse.
„Umgekehrt besteht die Kunst der Kandidat:innen darin, sich beim Beantworten dieser Fragen zwar zu öffnen, dabei aber keinen seelischen Striptease hinzulegen. Auch sollte man in diesem Setting keine Schwächen nennen, die ein Killer sein könnten.“
Verkaufe deine Stärken selbstbewusst, aber nicht überheblich
Geht es um deine Stärken, solltest du selbstbewusst und gleichzeitig bescheiden auftreten, um nicht unsympathisch oder überheblich zu wirken. Statt nur allgemeine Behauptungen über dich aufzustellen, präsentiere unbedingt auch konkrete Beispiele oder Erfahrungen, die deine Stärken untermauern. Idealerweise zeigst du auf, wie deine Stärken direkt mit den Anforderungen der Position zusammenhängen.
Stärken richtig darstellen – Beispiel:
Wenn du top organisiert bist und Zeitmanagement zu deinen Stärken zählt, berichte zum Beispiel von einer komplexen Herausforderung während deines Studiums, bei der du trotz Turbulenzen stets den Überblick behalten und die Deadlines eingehalten hast.
Mache deine Schwächen zu Stärken
Die vielleicht etwas größere Herausforderung ist die Frage nach deinen Schwächen. Gleichzeitig bieten deine Antworten eine große Chance, denn:
Jede Schwäche lässt sich in gewisser Weise auch als Stärke übersetzen
Im Klartext: Auch wenn du über deine vermeintlichen Schwächen sprichst, kannst du bei deinem Gegenüber in einem positiven Licht erscheinen – wenn du diese geschickt präsentierst. Denn Arbeitgeber schätzen Kandidaten, die in der Lage sind, ihre Schwächen zu erkennen und daran zu arbeiten.
Schwächen zu Stärken – Beispiel:
Solltest du deine Englischkenntnisse als nicht allzu gut einschätzen, könntest du sagen: „Es ist nicht auf dem Niveau, auf dem ich es gerne hätte, aber das will ich verbessern. Ich absolviere einen Sprachkurs und bemühe mich, mehr englischsprachige Literatur zu lesen. Mir ist sehr bewusst, dass Sprachen eine wertvolle Ressource in der globalen Arbeitswelt darstellen. Deshalb will ich meine Fähigkeiten in diesem Bereich kontinuierlich erweitern."
Beispiel 2:
Wenn du sagst, du hättest manchmal Schwierigkeiten, Deadlines einzuhalten, solltest du auch hier einen positiven Dreh finden. Etwa so: „Zuletzt habe ich bestimmte Zeitmanagement-Techniken angewendet, die mir geholfen haben, produktiver und pünktlicher zu sein.“ So zeigst du deine Fähigkeiten zur Selbstverbesserung und zur Anpassung an die Anforderungen des Arbeitsplatzes.
„Stellen Sie sich doch mal kurz vor!“ – In diesem Moment muss jedes Wort sitzen!
Stärken und Schwächen sind eine klassische Challenge im Bewerbungsgespräch. Eine weitere, die bei Arbeitgeber:innen äußerst beliebt ist und sich oft aus der Situation heraus ergibt: Du hast im Vorstellungsgespräch Platz genommen, man spricht sich warm, ein bisschen Smalltalk – und plötzlich betritt eine weitere Person den Raum. Eine, mit der du bisher keinen Kontakt hattest und der du dich nun „kurz vorstellen“ sollst.
Für Jürgen Hesse ist dieser Moment ein Geschenk, denn: „Diese Aufforderung ist eine Vorlage, um die wirklich wichtigsten Aspekte Kompetenz, Leistungsmotivation und Persönlichkeit als entscheidenden Weichensteller zu bedienen und genau dazu etwas sehr komprimiert zu erzählen.“
Ganz egal wie diese Aufforderung an dich formuliert wird, in diesem Moment ist der entscheidende Zeitpunkt gekommen, man erteilt dir das Wort und jetzt bist du dran.
„Wie und was man jetzt erzählt, macht einen riesigen Unterschied – es ist die Chance, sich zu inszenieren; dafür braucht es aber einen Plan, ein vorher gut überlegtes Konzept.“
Sei originell bei deiner Selbstpräsentation
Es ist deine Aufgabe zu überlegen, mit welcher Dramaturgie du hier punkten kannst. Wenig originell wäre es, chronologisch deine Lebensstationen abzuklappern. Wo du geboren und zur Schule gegangen bist, könnte hier langweilen.
„Für eine Selbstpräsentation hat man in der Regel 45, maximal 60 Sekunden Zeit, bis man unterbrochen wird“, warnt Jürgen Hesse. „Man kann zum Beispiel auch mit einem Zitat oder Lebensmotto beginnen oder berichten, was seine aktuelle Aufgabe ist. In diesem Moment steht man als Bewerber:in auf einer Bühne und das Publikum will unterhalten werden.“
Trainiere und hole dir Feedback von Freunden
Deshalb empfiehlt es sich, diese Performance, für einen professionellen und selbstbewussten ersten Eindruck zu Beginn des Gesprächs, zu üben. Übe deine Selbstpräsentation mehrmals, um sicherzustellen, dass du sie flüssig und selbstbewusst vortragen kannst. Dies kannst du alleine trainieren, vor Freund:innen, Kommiliton:innen oder deiner Familie. Deren Feedback kann wertvoll sein.
Mit einer gelungenen Selbstpräsentation kannst du das Gespräch in die gewünschte Richtung lenken, bekommst Rückenwind für den weiteren Verlauf des Gesprächs und kannst danach deutlich entspannter die Themen ansprechen, die für die Position relevant sind.
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(Hesse/SEBÜ)