Interview

Mit Kopftuch am Arbeitsplatz?

Portrait von Yasemin.
Gegen gängige Vorurteile: Yasemins Erfahrungen. (Foto: © Yasemin)
Schlechtere Chancen bei der Bewerbung oder Diskriminierung am Arbeitsplatz wegen Kopftuch? „Gar nicht wahr“, sagt Account-Managerin Yasemin im Interview mit uns.
Mittwoch, 10.05.2023, 09:00 Uhr, Autor: Sandra Lippet

Frauen mit Kopftuch hätten es viel schwerer in der Arbeitswelt – ein Vorurteil, das sich noch immer hält. Aber stimmt das? Wir haben Yasemin gefragt, was an dem Vorurteil dran ist, wie ihre Erfahrungen sind und was ihre Meinung zu dem Ganzen ist.

Wurdest du im Arbeitskontext schon gefragt, wieso du Kopftuch trägst?

Sehr, sehr oft. Es werden oft Fragen gestellt, weil die meisten nicht wissen, wie das funktioniert. Und ich werde auch schon mal gefragt, ob ich von meiner Familie gezwungen werde – oder ob ich geheiratet habe.

Ich hab mich erst später dazu entschieden, Kopftuch zu tragen – nach der Pubertät – und das erste Mal als ich dann Kopftuch getragen habe, hat mein Arbeitgeber mich gleich gefragt, ob ich geheiratet habe oder heiraten werde. Und dann musste ich erklären, dass ich mir nie was sagen lassen würde – ich habe und tue es aus eigener Überzeugung und werde nicht gezwungen.

Ich habe auch noch eine Schwester, die nicht bedeckt ist. Bei uns in der Familie ist es ganz normal, dass jeder frei entscheiden darf.

Du wirst also ab und zu nach den Gründen gefragt – aber aus Interesse?

Ja, das ist Interesse. Wenn ich dann erklärt habe wieso, weshalb, warum ich das mache, haben dann auch die meisten Verständnis. Sie sagen, wenn ich das als richtig empfinde, dann ist das meine Entscheidung. 

Kommen wir zum Thema Arbeit: Seit wann arbeitest du denn?

Ich arbeite eigentlich seitdem ich 15 bin. Ich habe einen Hauptschulabschluss gemacht und bin dann direkt in die Ausbildung gekommen und mit 18 hatte ich dann meine Ausbildung als Konditoreifachverkäuferin fertig. Aber das, was ich gelernt hatte, war so gar nicht meins. Und ich habe mir gedacht, das wäre nichts für mich – so mein ganzes Leben lang.

Und dann habe ich weitergemacht mit der Schule und habe mein Abitur nachgeholt. Nach meinem Abitur habe ich mich dann entschieden zu studieren. Dann habe ich angefangen, Data Science in der Medizin zu studieren, leider aber nicht beendet. Neben meinem Abitur und Studium habe ich insgesamt 10 Jahre im Legoland gearbeitet. Nach dem Studien-Abbruch habe ich dann als Assistentin der Geschäftsführung angefangen – das war mir dann aber zu viel. Jetzt bin ich Account Managerin.

Du hast in viele Bereiche reinschnuppern können: Ausbildung, Studium, Nebenjob und zwei Vollzeitstellen. Gab es dabei irgendwo Schwierigkeiten, weil du ein Kopftuch trägst?

Nein, überhaupt nicht. Ich finde, man schränkt sich da oft selbst ein. Man hat selbst Angst, dadurch verurteilt zu werden, weil man das aus den Medien so mitbekommt, dass das mal jemandem passiert ist. Und natürlich gibt es bestimmt irgendwo welche, die Mal diskriminiert wurden, aber ich habe damit keine Erfahrung gemacht.

Manchmal merkt man, dass die Leute vorurteilsbehaftet und zurückhaltend auf dich zukommen, weil sie denken, dass du vielleicht neu in Deutschland bist. Ich bin ja auch hier aufgewachsen, aber das wissen sie am Anfang nicht. Sie haben Vorurteile, aber nur bis sie mit dir sprechen, danach hat niemand ein Problem damit.

Das heißt du hast schon manchmal das Gefühl, das manche dir erst mal eine Art „Ausländer“-Stempel aufdrücken?

Ja, das auf jeden Fall. Also wenn man in Gesprächen zu kurze Antworten gibt, denken manche schon „Was ist los, kann sie die Sprache nicht?“ – aber sobald du dann anfängst sehr gut Deutsch zu reden, sind alle dann normal.

Ich muss leider sagen, dass man schon ab und an merkt, dass man Vorurteilen ausgesetzt ist.

Und Freundinnen oder Bekannten, die auch Kopftuch tragen – haben die ähnliche oder andere Erfahrungen gemacht als du?

Wenn ich einen guten Lebenslauf habe, habe ich auch immer einen Vorteil bei Bewerbungen. Ich kann dann mehr erzählen und weiß auch, wie das Arbeitsleben so funktioniert, weil ich auch Erfahrung mitbringe.

Ich hab auch Freundinnen, die einfach wenig Arbeitserfahrung haben. Wenn die sich dann bewerben und keine Zusage bekommen, dann verbinden sie das gleich mit dem Kopftuch.

Yasemin E., Account-Managerin

Eigentlich hat das damit meistens nichts zu tun. Wenn dein Lebenslauf passt und du auch Arbeitserfahrung zeigst, dann hast du eigentlich gar keine Probleme.

Das heißt, es gibt auch andersrum Vorurteile: Manche Frauen mit Kopftuch denken, dass sie Jobabsagen nur aufgrund ihres Kopftuchs bekommen?

Ja, genau das ist mein Eindruck. Ich muss ehrlich zugeben: Ich hab nicht viele Bewerbungen geschrieben: Einmal als Assistentin und einmal als Account Managerin – und ich wurde bei beiden genommen. Ich habe bei beiden eine Zusage bekommen.

Das heißt: Es kann nicht am Kopftuch oder Namen liegen …?

Nein. Also ich muss sagen: Ich habe wirklich nur positive Erfahrungen gehabt. Im Arbeitsleben habe ich noch gar keine schlechte Erfahrung gemacht.

Und mit dem Namen auch nicht? Es gibt ja auch das Vorurteil, dass man mit einem ausländisch klingendem Namen Schwierigkeiten bei der Jobsuche/Bewerbung haben kann?

Wie gesagt: Es kann vielleicht sein, dass man erstmal einen Nachteil hat oder, dass derjenige, der einen noch nicht persönlich kennt, Vorurteile hat. Aber ich habe nichts davon gemerkt. Ich hab auch meinen Lebenslauf mit Foto geschickt – und das war kein Problem.

Bei der ersten Bewerbung für die Assistenz hatte ich kein Bild im Lebenslauf, weil man das ja im Kopf hat, dass man mit Kopftuch einen Nachteil haben kann. Am Telefon hatte ich dann das erste Interview, das Erstgespräch – und dann habe ich selbst angesprochen, dass ich Kopftuch trage und gefragt, ob das ein Problem ist – woraufhin der Chef meinte: „Das ist gar kein Problem. Jeder ist bei uns willkommen.“

Eigentlich legt man sich die Steine selbst in den Weg. Also ich finde ein Kleidungsstil – das ist ja auch nur ein Tuch – ist eigentlich gar kein Hindernis, das ist einfach nur ein andere Art sich zu kleiden. Ansonsten habe ich alles wie die anderen auch: zwei Augen, einen Mund, zwei Ohren, eine Nase – und das ist eigentlich gleich.

Yasemin E., Account-Managerin

(Yasemin E./SALI)

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