Studium für die Tonne?
Manchmal studiert man einfach ein Fach, in dem man denkt, gut abschneiden zu können oder danach bessere berufliche Chancen zu haben. Oder man studiert etwas, das die Familie von einem erwartet oder im Gegenteil etwas, das einem selbst Spaß macht. Wieso du genau dieses Studium gewählt hast, dafür kann es verschiedene Gründe geben.
Nur irgendwann ist das Studium vorbei, du hast deinen Abschluss erhalten und der nächste logische Schritt wäre jetzt in einem Bereich, der irgendwas mit deinen Studieninhalten zu hat, einen Job zu suchen. Was aber, wenn dir ganz plötzlich auffällt: „das ist nichts für mich. Ich möchte keiner Arbeit nachgehen, die mein Studienfeld berührt.“
Was jetzt? Wir, meine Kollegin Christine und ich, haben uns für dich aufgeteilt, um dir eine Gegenüberstellung zu bieten für die Frage ‚War mein Studium für die Tonne?‘:
- Ja, war es – Pro: Argumente, um deinen beruflichen Weg neu zu gestalten, unabhängig von deinem Studium.
- Nein, war es nicht – Kontra: Anregungen, was für jobtechnische Chancen du innerhalb des Bereiches haben kannst, in dem du studiert hast.
Unser Tipp: Lies dir unsere Gegenüberstellung mal durch, wirklich beide Seiten, und mach deine eigene Pro- und Kontra-Liste. Let’s go!
Das Falsche studiert und trotzdem alles richtig gemacht
Gehörst du zu denen, die fertig sind mit dem Studium, bzw. kurz vor ihrem Abschluss stehen und sich denken: „Boah, war das ein Griff ins Klo! Ich hab so gar keinen Bock, in dem Bereich zu arbeiten.“ Erstmal: herzlichen Glückwunsch, dass du trotzdem durchgezogen hast – da gehört einiges dazu! Du hast abgebrochen? Auch kein Drama. Manchmal läuft das Leben eben anders als geplant.
Klar, deine Familie tickt wahrscheinlich gerade erstmal aus und einige zweifeln eventuell an deinem Geisteszustand. So what? Ist ja nicht ihr Leben, sondern deines. Also, einmal durchatmen. Sicherlich ist der gerade Weg wünschenswert: also, gleich das perfekte Studienfach wählen, erfolgreich abschließen und dann schnell mit dem passenden Job durchstarten. Zumindest für die Nerven deiner Eltern.
Aber jeder Mensch entwickelt sich weiter. Manchmal merken wir einfach recht spät, dass etwas nicht (mehr) zu uns passt. Das gehört einfach zum Leben dazu und ist vollkommen in Ordnung. Wir dürfen uns verändern. Das heißt nicht, dass du gescheitert bist. Es ist nicht leicht, ein Studium fertig zu bringen, das im Grunde keinen Spaß mehr macht. Schaffst du es trotzdem, ist das ziemlich grandios.
Nichts ist verloren – nutze deine Fähigkeiten
Storytime: Eine liebe Freundin von mir hat Soziale Arbeit studiert. Kein leichtes Studium. Irgendwann hat sie beschlossen, studieren ist einfach nicht ihr Ding und hat abgebrochen. Weltuntergang? Nein! Ganz im Gegenteil, sie ist als erfolgreiche Kleinunternehmerin durchgestartet. Dafür ist sie zunächst vollkommen aus ihrem vorgezeichneten Berufsweg ausgebrochen. Was meiner Meinung nach todesmutig war.
Sie hat sich neu hinterfragt: Was will ich? Wer bin ich? Wo will ich hin? Neben ihrer sehr stark ausgeprägten sozialen Ader steckte nämlich auch ziemlich viel Unternehmergeist in ihr. Schlussendlich eröffnete sie ihr eigenes kleines Geschäft. Das war viele Jahre erfolgreich. Irgendwann kamen neue, andere Prioritäten in ihr Leben.
Das Geschäft ist neuen Projekten und Aufgaben gewichen. Eines begleitet sie aber schon ihr Leben lang: ihre soziale Ader und ihre Empathie für die Nöte anderer. Beides war vor vielen Jahren ausschlaggebend für ihre Studienwahl. Bis heute nutzt sie das, um anderen Menschen zu helfen. So war ihr kleiner Laden immer auch Anziehungspunkt für gestrauchelte Seelen – für die sie jederzeit ein offenes Ohr und gute Ratschläge hatte.
Was ich mit dieser kleinen Anekdote sagen will: Geh deinen Weg, nutze das, was für dich wertvoll ist und schau nicht zurück. Irgendwas aus deinem Studium wirst du sicherlich auch in Zukunft gebrauchen können – wenn nicht unmittelbar jetzt, dann später. Auch das (gefühlt) falscheste aller Studien ist keine verschwendete Zeit.
Welche Möglichkeiten stehen dir jetzt offen?
Du hast sehr viele Optionen, wie es nun weiter gehen kann. Eventuell brauchst du erstmal schnell eine Job, um finanziell nicht unter zu gehen. Da empfiehlt sich natürlich ein Neben- oder Aushilfsjob. Zur Überbrückung und um innerlich Klarheit zu finden, ist das ideal.
Wenn du richtig Zeit für dich brauchst und erstmal gar kein Land siehst, könntest du auch eine kleine Pilgerwanderung antreten. Klingt erstmal verrückt. Laufen hilft aber und gibt dir Zeit, dich mit dir selbst und deinem weiteren Leben auseinanderzusetzen. Außerdem nimmt die Bewegung den Stress aus der Situation, weil sie dir hilft, dein Adrenalin abzubauen.
Dein Weg in die Berufswelt
Natürlich kannst du auch direkt in einen festen Job einsteigen. Falls du unsicher bist, geh zur Berufsberatung bei der Agentur für Arbeit. Die können dir Tipps geben, welcher Beruf zu dir passen könnte. Sprich mit vielen Menschen über dich: Familie, Freunde sie alle können dir helfen, deinen weiteren Weg zu finden, weil sie dich nicht nur gut kennen, sondern auch gut einschätzen können. Manchmal nehmen die anderen uns besser wahr, als wir uns selbst. Dir steht es auch offen, dich mit einem Praktikum an einen neuen Bereich heranzutasten. Einfach mal ausprobieren.
Oder du entscheidest dich für eine Berufsausbildung. Könnte ja sein, dass dir einfach das Studieren an und für sich nicht gefallen hat. Überlege dir, ob du mit einer auf die Praxis ausgerichteten, klassischen Berufsausbildung besser zurechtkommen könntest. Hier musst du dich natürlich an die vorgegebenen Bewerbungsfristen halten. Der Start für ein neues Ausbildungsjahr ist immer im September.
Versuchs als Quereinsteiger
Du weißt schon genau, was du beruflich machen willst? Dann bewirb dich. Wenn dein Studium recht weit von deinem Jobwunsch entfernt ist, kannst du versuchen, als Quereinsteiger anzufangen. Stell in deinen Bewerbungsunterlagen deutlich heraus, warum du mit deinen Fähigkeiten trotz „falschen“ Studiengangs zur Stelle passt. Der große Vorteil am Studieren ist ja unter anderem, dass du danach eine breite Auswahl an Möglichkeiten hast. Niemand schreibt dir vor, dass du mit einem Studium der Veterinärmedizin einzig und allein als Tierarzt:in arbeiten kannst. Wenn du es richtig anstellst, findest du in vielen anderen Bereichen damit einen Job. Soll heißen: nicht das Fach ist entscheidend, sondern das, was du daraus machst.
Noch mal von vorne
Oder...du immatrikulierst dich für ein ganz neues Studium. Warst du noch nicht fertig mit dem anderen, kannst du einfach wechseln. Das geht verhältnismäßig einfach. Dabei unterstützt dich die Studienberatung vor Ort bzw. der Lehrstuhl deines angestrebten Faches. Das Prüfungsamt kann dir sagen, ob dir eventuell bestimmte Credits oder bestandene Prüfungen für deinen Neustart angerechnet werden können.
Schwieriger wird es, wenn du schon einen Abschluss hast und dann ein vollkommen neues Studium beginnen willst. Möglich ist es aber allemal. Am besten erkundigst du dich bei der Studienberatung deiner Wunschuni, wie die Bedingungen aussehen. Herausfordernd könnte das Thema Finanzierung werden. Leider steht dir mit dem Abschluss deiner ersten Ausbildung keine Unterstützung deiner Eltern mehr zu. Auch das Kindergeld fällt weg, genauso wie dein Anspruch auf BAföG. Was du immer machen kannst, ist dir einen Studentenjob zu suchen oder einen Studienkredit aufzunehmen.
Du siehst, nur weil du nicht das perfekte Studienfach für dich gewählt hast, geht die Welt nicht unter. Schnaufe mal durch und sortiere deine Möglichkeiten. Jeder Mensch darf neu anfangen oder seine/ihre Ziele und Wünsche neu justieren. So oft, wie er oder sie will.
Kontra: Dein Studium war nicht für die Tonne
Wenn du aus irgendwelchen Gründen keine Lust hast in deinem Studienbereich nach deinem Studium Karriere zu machen, kommt hier die gute Nachricht: Das musst du nicht. Du kannst dein Studium aber trotzdem für deinen beruflichen Weg nutzen, jedenfalls für den Einstieg und hast so eben nicht umsonst oder für die Tonne studiert.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die du hast, um einen Job zu finden, der zwar auf deine akademische Bildung aufbaut, aber nicht zwangsläufig viel damit zu tun haben muss. Hier ein Überblick, an Dingen, die du tun kannst:
Erweitere deinen Bereich
Wenn du nach dem Studium deine erste Vollzeitstelle oder Festanstellung suchst, kannst du schon hier dein Suchspektrum öffnen. Damit meine ich Folgendes: du hast bspw. etwas mit Wirtschaft studiert, musst aber nicht nach Stellen in der Wirtschaft suchen; du hast was mit Medien studiert, musst aber nicht in die Medienbranche einsteigen.
Überleg dir, was du gerne machen würdest, welche Jobs für dich infrage kommen würden. Um bei den Beispielen zu bleiben: Wirtschaftsstudium, aber Interesse ins Produktmanagement zu gehen? Medienwissenschaften studiert, aber Lust ins Personalwesen zu gehen? – Beides geht, du solltest nur bei der Bewerbung versuchen, einen Bogen zwischen dem, was du im Studium gelernt hast und dem, was in den Anforderungen der Stellenausschreibung steht, zu schlagen.
Du lernst im Studium allgemein immer mehr als nur über das Fach, das du studierst. Du lernst Kommunikations-Skills wie Rhetorik, das Leiten einer Diskussion oder richtig zu argumentieren, du lernst viel Organisatorisches wie Planung von Gruppenreferaten, Zeitmanagement, Recherchearbeit. Du lernst eigenständiges Arbeiten und vieles mehr. Nahezu alles davon kommt dir auch später im Beruf zugunsten.
Außerdem bist du auch nach dem Abschluss deines Studiums i.d.R. noch sehr jung, zwischen Mitte und Ende 20, d.h. für Arbeitgebende hast du viel offenes Potenzial, weil du im Berufsleben noch viel lernen und dich spezialisieren kannst.
Setzt du deine Karten also geschickt ein, musst du dein Studium nicht zwangsläufig für einen studiennahen Job nutzen, sondern kannst auch in einem ganz anderen beruflichen Zweig Fuß fassen.
Such dir ein Spezialgebiet
Du kannst etwas besonders gut/willst etwas unbedingt und darin liegt für dich deine jobtechnische Zukunft? Dann arbeite darauf hin. Das heißt: informier dich, welche Qualifikationen und Co. du dafür brauchst. Überleg, ob du Teilbereiche davon schon durch dein Studium, durch Praktika oder Ähnliches während deiner Studienzeit abgedeckt hast und welche Punkte noch offen sind. Und dann: bilde dich in diesen Punkten weiter und besorg dir dadurch die notwendigen Qualifikationen.
Bilde dich weiter
Es gibt so viele Optionen, an zusätzliche Zertifikate oder Abschlüsse zu kommen – auch nach deinem Studium. Du kannst Kurse und Seminare von Weiterbildungsformaten besuchen, du kannst über Praktika, Volontariate, Hospitanzen oder Aushilfsstellen schon mal in dem Bereich, in dem du zukünftig arbeiten möchtest, Praxiserfahrungen sammeln. Das alles kann deine Chancen extrem erhöhen, wenn du dein berufliches Einsatzgebiet nach dem Studium ändern möchtest.
Wichtig bei den Fort-/Weiterbildungen und dem Sammeln von Praxiserfahrung ist dann aber wirklich, dass es einschlägig ist und in dem Arbeitsbereich stattfindet oder darauf aufbaut, in dem du dich beruflich siehst. Du willst in die IT? Dann mach Grundkursseminare dazu und bewirb dich für Praktika in IT-Unternehmen.
Weiterbilden geht immer …
Auch in deinem beruflichen Werdegang, kann es immer wieder dazu kommen, dass sich dein Interessensgebiet ändert oder du etwas spannend/wichtig genug findest, um es zu lernen. Das ist gut und an sich kein Problem, denn nur weil du in einem bestimmten Bereich angefangen hast zu arbeiten, heißt das nicht, dass du für immer dort arbeiten musst.
Informiere dich über unternehmensinterne Möglichkeiten
Solltest du dich nicht trauen, in einem anderen Bereich als dem, in dem du studiert hast, zu arbeiten, weil du dich in anderen nicht qualifiziert fühlst, dringend einen Job brauchst oder ähnliches: Ruhe bewahren! Auch hier hast du Optionen.
In vielen Firmen/Unternehmen haben Mitarbeitende die Möglichkeit auch intern, also innerhalb der Firma, das Team, die Abteilung und/oder den kompletten Arbeitsbereich zu wechseln. Halte also Augen und Ohren offen oder informier dich aktiv bei deinen Vorgesetzten darüber, ob das ginge.
Das wäre nämlich ebenfalls eine Chance für dich aus deinem Studienbereich jobtechnisch, jedenfalls teilweise, wieder rauszukommen oder dich auch mal umzuorientieren.
Vergiss den Zeitfaktor nicht
Nach deinem Studienabschluss arbeitest du i.d.R. mindestens 35 Jahre bis zur Rente. Klingt lange, ist es auch. Der Vorteil daran ist aber: die Zeit ist auf deiner Seite. Du hast nicht nur die Zeit retrospektiv das Beste aus deinem Studium zu machen und beruflich einzusetzen, du hast auch Zeit rauszufinden, welcher Berufszweig dir taugt und wo du dich jobtechnisch wohlfühlst. Auch hast du die Zeit, dich immer mal wieder weiterzubilden und weiterzuentwickeln.
Der erste Job nach der Uni ist oft nicht der Traumjob. Und dabei spielt es keine große Rolle, ob du dein Studium nice und hilfreich fandest oder es gerne in die Tonne kloppen würdest. ABER: Dein erster Job nach dem Studium ist grundlegend nie dein letzter – er ist nur der erste Schritt auf deinem beruflichen Weg, danach kommen noch andere. Halt also die Augen offen, lass dir genügend Zeit zum Akklimatisieren, aber trau dich auch mal was Neues zu testen.
(CHHI/SALI)