Statement

Volontariate nur für Arbeitgeber:innen von Vorteil?

Chef und Volontärin im Tonstudio, sie sitzt und hat Kopfhörer auf – er zeigt ihr was am Mischpult.
Auch beim Radio kannst du ein Volontariat machen. (Foto: ©stock.adobe.com/AntonioDiaz)
Für viele Berufe im Kultur- und Medienbereich kannst du nach dem Studium noch ein Volontariat machen. Aber, was bringt dir das wirklich? Ein Kommentar. 
Donnerstag, 09.01.2025, 11:00 Uhr, Autor: Sandra Lippet

Wenn man einen Beruf in der Medienbranche anstrebt, wurde einem, früher jedenfalls, immer geraten ein Volontariat zu machen. Ganz egal, ob beim Fernsehen, beim Radio, im Verlagswesen oder im journalistischen Bereich.

Obwohl ein Volontariat im Schnitt nochmal 1,5 bis 2 Jahre Zusatzausbildung nach dem Studium bedeutet, hieß es: Das wird gebraucht – da lernt man das notwendige Handwerk, v.a. in der praktischen Umsetzung.

Die Frage ist: stimmt das heute noch? Brauchst du unbedingt ein Volo? Welche Vorteile bringt es dir und welche Nachteile? 

Volontariat – wofür soll das gut sein?

Ein Volontariat bietet, in der Theorie, eine Art Grundausbildung in dem Bereich, in dem du es machst. In Redaktionen bspw. werden Volontär:innen auf die spätere Arbeit mit verschiedenen Arten von Texten und anderen Medien vorbereitet. Der Großteil dieser ‚Ausbildung‘ wird auch im Unternehmen absolviert – es gibt aber 2-3 Module, die auch außerhalb abgeschlossen werden müssen.

Machst du z.B. ein Volo in einer Redaktion in Bayern, sind zwei mehrtägige Kurse an der Akademie der bayrischen Presse während deiner Volontariatszeit zu absolvieren. Dort gewinnst du nicht nur Einblicke in diverse Schreibstile und Textsorten, sondern wendest sie auch an.

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Ziel eines Volos ist es:

  • Grundkenntnisse zu lernen, versuchen diese anzuwenden, zu verfeinern und Sicherheit in ihnen zu gewinnen,
  • in ein möglichst weites Spektrum an Aufgabenbereichen hineinzuschnuppern, um die Abläufe und Abteilungen des Unternehmens kennenzulernen,
  • Arbeitspraxis zu erlangen,
  • mit Abschluss des Volontariats einigermaßen selbstständig Aufgaben in dem Bereich bearbeiten zu können.

Das heißt: Ein Volontariat bietet dir die Möglichkeit, um die 2 Jahre praktische Erfahrungen in dem Bereich zu sammeln, in dem du danach arbeiten willst. An sich keine schlechte Sache, wenn das auch so klappt ... 

Die großen Nachteile von Volontariaten

Ein wenig problematisch ist aber, dass selbst Volos im selben Bereich, also bspw. beim Radio, stark voneinander abweichen können, eben je nachdem, bei welchem Sender du bist. Da kommt es auf der einen Seite auf die Kolleg:innen, Betreuer:innen an, die für dich zuständig sind, auf der anderen darauf, was dir an Aufgaben gegeben wird und wie gut du tatsächlich auf deinen zukünftigen Job vorbereitet wirst. 

Nicht selten nämlich, bekommen Volontär:innen die Aufträge, auf die die anderen keine große Lust haben oder sich dafür zu schade sind – und als Volontär:in kannst du schlecht sagen: Das mache ich nicht. 

Da du nicht automatisch nach deinem Volo übernommen werden musst, kann es dann passieren, dass dein erworbenes Wissen bei der Bewerbung bei einem anderen Sender als unzureichend bewertet wird – und das ist dann ungut.

Außerdem ist die Bezahlung während eines Volontariats meistens – da gibt es natürlich auch positive Gegenbeispiele – nicht so berauschend, um nicht zu sagen unterirdisch. Denn als Volontär:in muss dir nicht mal der Mindestlohn bezahlt werden und das nutzen viele Firmen schamlos aus. Heißt: Du arbeitest nach deinem Bachelor- oder sogar Masterabschluss Minimum 1,5 Jahre in Vollzeit für einen Lohn, der vermutlich nur knapp für deine Unterhaltskosten reichen wird. 

Durchschnittlich 1800 Euro Bruttogehalt verdienen Volontär:innen in Deutschland. Je nach Steuerklasse kannst du also mit 1.100 bis 1.300 Euro netto rechnen.

Das macht im Schnitt einen Stundenlohn von 11,25 (brutto) und zwischen 6,90 und 8,20 (netto) – und liegt damit eine gute Schippe unter dem Mindestlohn

Zwar steigt das Gehalt im zweiten Ausbildungsjahr, sehr viel mehr wird es aber nicht. Bist du also finanziell von einem Job abhängig, weil du bspw. keine Rücklagen oder keine gut situierte Familie hast, wird es in den allermeisten Volontariaten für dich mit dem Gehalt sehr eng. 

Brauchst du ein Volontariat?

Da kommt es jetzt wirklich auf deinen persönlichen Fall an und auch darauf, ob du eins machen möchtest oder nicht. Nicht alle Volos sind schlecht und nicht alle werden mies bezahlt. Sie können ein guter erster Schritt in die Arbeitswelt sein, vor allem, wenn du es während des Studiums nicht geschafft hast, schon viel Praxiserfahrung zu sammeln – denn die ist wirklich wichtig. 

Nach einem Volontariat, selbst wenn du nicht übernommen wirst, können deine beruflichen Chancen besser sein, weil du bspw. die richtigen Leute kennengelernt hast und dann über das nötige Vitamin B und deine Connections besser jobtechnisch Fuß fassen kannst.

Allgemein bieten Volontariate Vor- und Nachteile und nur du kannst für dich abwägen, ob du eins machen möchtest. Früher hieß es: Bachelor und Volontariat oder Master und dann Juniorstelle – heute würde ich aber sagen, dass du auch mit einem Bachelorabschluss, ohne Volontariat, in der Berufswelt durchstarten kannst, wenn du das möchtest.

Was kannst du anstatt eines Volontariats machen?

Für den richtigen Start in die Berufswelt ist aber Praxiserfahrung elementar – und die kommt an der Uni meistens viel zu kurz oder geht komplett in der Theorie unter. Wenn du kein Volo machen willst, solltest du aber schauen, dass du dann schon während deines Studiums praktische Arbeitserfahrung in dem Bereich/den Bereichen sammelst, in dem/denen du später arbeiten möchtest.

Das kannst du tun, indem du in den für dich interessanten Branchen schon mal

  • Nebenjobs,
  • Werkstudierendenstelle(n),
  • Praktika
  • oder Hospitanzen machst. 

Ratsam ist von allem etwas oder eine bis zwei Sachen wirklich über einen längeren Zeitraum zu machen. Ein 2-wöchiges Praktikum gibt dir nicht genug Einblicke, um damit deine Praxiserfahrung zu begründen. Eine Stelle als Werkstudierende:r, die du über 2 Jahre ausübst, hingegen schon.

Fazit

Ich persönlich würde dir raten: wäge ab, ob du unbedingt ein Volontariat brauchst bzw. eins machen möchtest. Denn, wenn es dir nur um die Arbeitserfahrung geht, die lässt sich auch anderweitig machen – ohne, dass du im Worst Case knapp 2 Jahre, mit einem Uniabschluss in der Tasche, gnadenlos unterbezahlt und vielleicht nicht mal anständig ausgebildet wirst. 

(SALI)

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