Über Jelineks Roman „Gier“
Vor allem politische und gesellschaftskritische Texte machen das Spektrum der Literaturnobelpreisträgerin aus – und das nicht nur in Romanform, sondern auch für die Bühne. Derzeit wird in Ingolstadt ihre Komödie ‚Floh im Ohr‘ aufgeführt.
„Gier“ nach was?
Über drei Generationen einer Familiengeschichte beleuchtet ihr Werk. Im Fokus dabei stehen vor allem die (Ehe-)Männer, Väter, Söhne der Familie. Sie alle gieren nach mehr, nach Besitz, vor allem Haus- und Grundbesitz und nach den Frauen.
Wie oft in Jelineks Texten spielt das unausgeglichene Machtgefälle zwischen den Geschlechtern eine tragende Rolle: die Männer wollen dabei nicht nur die Frauen besitzen und Macht auf sie ausüben, sondern sich auch alles einverleiben, das den Damen gehört. Dabei sind ihnen nahezu alle Mittel Recht.
Der Roman behandelt Abhängigkeitsverhältnisse, Missstände innerhalb von Generationen und zwischen Mann und Frau. Dabei erzählt er sehr deutlich, was passieren kann, wenn man zu viel will – mehr als einem zusteht.
Direkte Sprache und Aufbruch der Erzählebene
Sexuelle Anspielungen und Handlungen, abscheuliche Gedanken und das Innenleben der Figuren werden dabei offen dargelegt. Manchmal so direkt und schamlos, dass beim Lesen nicht nur Abscheu, sondern auch Ekel aufkommt. Diese Gefühle machen den Text passagenweise sehr schwer zu ‚ertragen‘. – Aber genau darum geht es bei Jelinek ja: schonungslose Ehrlichkeit.
In ‚Gier‘ kommen aber nicht nur die Protagonisten, sondern auch die Autorin selbst zu Wort. Immer wieder durchbricht sie mit Metakommentaren ihre eigene Erzählebene, reflektiert und kommentiert den selbst geschrieben Text und ihre Figuren – die sie im übrigen genauso unsympathisch findet wie man als Lesende:r.
Für Jelinek-Fans ein Muss, für alle anderen definitiv einen Leseversuch wert.
(SALI)