Prägung – Nachdenken über Männlichkeit
Gefangen in einer Gedankenwelt aus Angst und Scham, versucht der Protagonist der Erzählung aus stereotypen Männlichkeitsbildern auszubrechen. ‚Prägung – Nachdenken über Männlichkeit‘ ist Ende Februar beim Piper-Verlag erschienen.
Starker Ich-Bezug
Die erste Person, das erzählende ‚Ich‘, ist eine gängige Perspektive, um nicht nur Geschehnisse, sondern auch Gedanken und Gefühle durch Texte zu transportieren und auch Nähe zu den Rezipierenden zu schaffen. In Dittloffs Erzählung aber scheint es um überhaupt gar nichts anderes zu gehen als die alltäglichen Zweifel eines weißen maskulinen Individuums, das mit seiner Männlichkeit nicht klar zu kommen scheint.
Die Unsicherheit und fast schon Ängstlichkeit im und vor dem Leben durchziehen den Text wie ein roter Faden und machen ihn stellenweise sehr schwer und unangenehm zu lesen. Die Darstellung falscher Entscheidungen, Mitläufertum und Selbstmitleid bestimmen das Buch so sehr, dass die eigentliche Story dahinter verschwimmt. Oft fragt man sich: worum geht es hier eigentlich?
Worum geht es eigentlich?
Grundlegend geht es um einen jungen Mann, der austestet, ob er sich selbst und einen für sich vereinbarten Zugang zu seiner Männlichkeit finden kann. Dabei versucht der Protagonist sich an mehreren Stellen von den archaisch stereotypen Männlichkeitsbildern zu distanzieren – der Versuch aber scheitert.
Einerseits deswegen, weil er sich selbst in mehreren Ausführungen über vergangene Geschehnisse als stummer Mitläufer enttarnt, der genau dieser Sorte Mann, die er zu verachten scheint, ein Trittbrett und sogar indirekte Unterstützung bei ihren misogynen Taten bietet. Andererseits dadurch, dass er andauernd versucht das Konzept Männlichkeit in ‚gut‘ und ‚böse‘, ‚patriarchal‘ und ‚einfühlsam‘ aufzuteilen und sich dabei – natürlich – zu den ‚Guten‘ zählt. Dabei werden aber auch nur wieder althergeholte Klischees von Männlichkeit und Weiblichkeit hervorgekramt – nur dieses mal findet die Unterscheidung in den Unterkategorien des Maskulinen statt.
Das gibt dem Text den bitteren Beigeschmack keine eigentliche Auseinandersetzung oder Selbstreflexion mit dem und über das Thema Männlichkeit zu sein und auch nicht sein zu wollen, sondern eine Anklageschrift des Erzählenden. Frei nach dem Motto: grölende, sexuell diskriminierende, misogyne Proletenmänner sind furchtbar – aber ich bin ja keiner davon!
(SALI)