Studienkredit nur noch als Notlösung?
Ulrich Müller ist renommierter Experte für Studienfinanzierung. Als Leiter für politische Analysen gibt er für das Centrum für Hochschulbildung (CHE) den jährlich erscheinenden Studienkredittest heraus. Im Interview erklärt Müller, warum Studienkredite immer unbeliebter und unrentabler werden.
Ich selbst hatte recht viel Mühe, mein eigenes Studium zu finanzieren. Ich weiß, was es bedeutet, um Geld kämpfen zu müssen, damit das Studium abgeschlossen werden kann. Auch deshalb ist mir dieses Thema so wichtig.
Was wollen Sie mit Ihrem Studienkredittest erreichen?
Wir wollen den Studierenden einmal im Jahr eine Übersicht zur Verfügung stellen mit den Angeboten auf dem Markt. Was sind jeweils die Vor- und Nachteile, was eignet sich für welche Zielgruppe, worauf sollte man achten, damit man nicht in den Ruin reitet? Wir begleiten auch die Politik kritisch, weil wir sehen, dass zurzeit einiges im Argen liegt bei der Studienfinanzierung.
Was ist derzeit das größte Problem bei der Studienfinanzierung?
Leider die komplette staatliche Studienfinanzierung. Diese ist komplett desaströs und überarbeitungsbedürftig. Das betrifft das BAföG, den KfW-Studienkredit und drittens auch den Bildungskredit des Bundesverwaltungsamtes. Das ergibt alles so, wie es derzeit ist, keinen Sinn mehr.
Studienkredit – eine gute Möglichkeit, das Studium zu finanzieren?
Eine Studienfinanzierung per Kredit sollte immer die allerletzte Option sein.
Ich würde jungen Menschen raten, erstmal zu checken, ob es auch anders geht – ohne Rückzahlungsverpflichtung, ohne Verzinsung.
Anders ginge es durch einen Nebenjob, in sehr vielen Fällen ist das auch vereinbar mit dem Studium. Aber auch Unterstützung durch die Familie oder ein Stipendium kann möglich sein. Alle anderen Optionen sind besser als ein Studienkredit. Teilweise gibt es aber auch zinsfreie Angebote, etwa der Studierendenwerke.
Wer genau bietet Studienfinanzierungen in Deutschland an?
Wir haben ein breites Angebot von Studienkrediten und Bildungsfonds in Deutschland. Die meisten zielen auf spezielle Zielgruppen, etwa Mediziner oder Studierende an einer Privathochschule oder Studierende in der Abschlussphase.
Ein großer Anbieter, die KfW, hält quasi ein Angebot für den Otto-Normalstudenten bereit, ohne große Auswahlverfahren, online beantragbar. Die KfW ist der dominierende Anbieter, hat mit Abstand die meisten Neuverträge abgeschlossen in den letzten Jahren.
Und gerade dieser Anbieter schwächelt jetzt sehr. Das hat seine Gründe. Noch bis September 2022 galt ein Nullzins in der Auszahlungsphase, und es gab überschaubare Zinsen in der Rückzahlungsphase.
Die Zinsen des KfW-Studienkredites werden derzeit problematisch?
Der Effektivzinssatz ist rasant angestiegen, liegt jetzt bei fast acht Prozent. Tendenz steigend. Dieses Angebot, das nie optimal, aber immer grundsolide war, ist mittlerweile als indiskutabel einzustufen, nicht mehr empfehlenswert. Der dominierende Anbieter bricht in seiner Akzeptanz gerade völlig ein.
Und die anderen Anbieter?
… können es nicht auffangen. Der nächstgrößere Anbieter, der Bildungskredit vom Bundesverwaltungsamt, fördert maximal zwei Jahre und mit maximal 300 Euro im Monat. Damit kommt man nicht weit. Niemand kann auffangen, was mit dem KfW-Studienkredit gerade in die Binsen geht. Der Markt der Studienkredite kollabiert.
Was heißt das für Studierende, die auf finanzielle Unterstützung angewiesen sind?
Studierende in der Not finden möglicherweise keine Angebote mehr, die ihnen das Weiterstudieren ermöglichen. Mal abgesehen von der Sparkasse Herford ist mir keine einzige Bank bekannt, die ein maßgeschneidertes Angebot für Studierende anbietet.
Unter anderem die Deutsche Bank, die SKB und die Volks- und Raiffeisenbanken haben ihre Angebote im letzten Jahrzehnt nach und nach eingestellt, haben nur noch KfW-Kredite vermittelt.
Die KfW hat die Angebote der anderen Banken quasi plattgemacht, weil sie deren Zinsen lange Zeit unterbieten konnten.
Was wäre das Worst-Case-Szenario bei der Rückzahlung des KfW-Studienkredits?
Wer studiert, drei Jahre lang einen Studienkredit in Höhe von 500 Euro im Monat aufnimmt und schließlich abbricht, hat 18.000 Euro Schulden plus Zinsen an der Backe, die zurückgezahlt werden müssen. Und zwar ohne den akademischen Abschluss, der einen in die Lage versetzt, einen gut bezahlten Job zu finden.
Bei diesem Beispiel müssen, wenn man 20 Jahre lang abbezahlt, insgesamt fast 35.000 Euro zurückbezahlt werden – wenn es beim aktuellen Zinssatz bleibt. Und Fälle, bei denen der Plan mit dem Studienkredit nicht so aufgeht wie geplant, gibt es durchaus.
Was sollten Studierende bei einem Studienkredit beachten?
Ein Studienkredit ist etwas vergleichsweise Anspruchsvolles, nicht vergleichbar mit einem Kredit für beispielsweise ein neues Auto. Wenn ich einen Konsumentenkredit aufnehme, erhalte ich auf einen Schlag die Auszahlung und zahle ab sofort zurück. Die Bank hat einen Gegenwert. Wenn es Probleme gibt, nimmt sich die Bank das Auto oder man wird sich irgendwie einig.
Beim Studentenkredit ist es jedoch etwas komplizierter, da es sich von beiden Seiten um eine Art Wette um die Zukunft handelt.
Studierende haben keine Sicherheiten zu bieten, sie brauchen die Auszahlung in monatlichen Portionen – und nach dem Studium eine sogenannte Karenzphase, also eine Verschnaufpause vor der Rückzahlung, um in Ruhe einen guten Job zu finden.
Tipp! Prüfe vorab gründlich, welche Summe du unbedingt zur Finanzierung deines Studiums über einen Studienkredit brauchst.
Überlege dir auch einen Plan B und C. Denn was ist, wenn der Worst Case eintritt und du den Kredit nicht planmäßig zurückzahlen kannst?
Studienkredite werden immer mehr von Bildungsfonds abgelöst, stimmt das?
Richtig. Das Modell der Bildungsfonds hat stark zugenommen in den letzten Jahren. Bildungsfonds sind unter den immer schlechter werdenden Studienfinanzierungsmöglichkeiten auf dem Markt ein Bereich, der wächst.
Die Grundlogik ist ja auch bestechend.
Wie funktionieren Bildungsfonds denn genau?
Hierbei füllen Investoren mit Geld einen Fonds auf, mit dem Studierende gefördert werden, während ihres Studiums. Sobald sie verdienen, zahlen sie von ihrem Bruttolohn einen gewissen Prozentanteil zurück. Das sind ungefähr neun bis zehn Jahre lange Rückzahlungen, die immer einkommensabhängig sind, ca. neun bis zehn Prozent des Bruttoeinkommens.
Das heißt: Wenn jemand Soziologie studiert und später als Taxifahrer arbeitet, dann muss er auch nicht so viel zurückzahlen. Wenn der spätere Lohn niedrig ist, fällt auch die Zurückzahlung niedrig aus. Wer ein Schweinegeld bei einer Unternehmensberatung verdient, bezahlt auch üppig zurück.
Man muss aber wissen, dass die Bildungsfonds sich sehr genau ansehen, wen sie fördern. Und die Wahrscheinlichkeit, als Ausgewählte:r viel zurückzahlen zu müssen, ist durchaus hoch.
Weitere Infos zum Studienkredit kannst du ebenfalls bei uns nachlesen!
(CHE Studienkredittest 2023/SEBÜ)