Kommentar

Wird es immer schwerer sich ein Studium leisten zu können?

Junge Frau zeigt ihre leeren Hosentaschen und guckt hoffnungslos
Ohne Kohle, kein Studium. Was läuft da in Deutschland falsch? (Foto: © khosrork/stock.adobe.com)
Theoretisch steht jedem der Zugang zu einer Hochschule offen. In der Realität aber gibt es viele Hindernisse. Eine der größeren Herausforderungen dürfte die Finanzierung sein.
Mittwoch, 19.03.2025, 09:00 Uhr, Autor: Christine Hintersdorf

Jeder, der will, darf in Deutschland ein Studium beginnen. Dabei spielen Herkunft oder gesellschaftlicher Status keine Rolle. Einzige Voraussetzungen sind die Hochschulreife und die Beherrschung der deutschen Sprache in Wort und Schrift. So sollte es zumindest sein. Wie sieht es aber wirklich aus? Welche unsichtbaren Barrieren stehen vor der Immatrikulation? Was hindert junge, motivierte Menschen, ein Studium zu beginnen? Darauf gibt es eine sehr einfache und irgendwie auch entmutigende Antwort: Geld

Bildungsgrad der Eltern ist entscheidend

Ob ein:e Abiturient:in die Möglichkeit hat, ein Studium zu beginnen, hängt stark vom Bildungsgrad der Eltern und deren finanziellen Mitteln ab. Das erklärt zunächst, warum Menschen aus Akademiker-Haushalten eher an eine Hochschule gehen, als Menschen aus klassischen Arbeiterfamilien. An diesem Trend hat sich auch in den letzten Jahren nicht wirklich viel geändert.

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Die Frage, die sich aber alle Eltern stellen, lautet: Können wir uns das Studium unserer Kinder leisten? Schließlich ist es großer Unterschied, ob der Nachwuchs eine Ausbildung macht und zumindest einen kleinen Lohn nachhause bringt, oder ob er/sie über mehrere Jahre finanziert werden muss.

Und nur weil beide Eltern vielleicht mal studiert haben, heißt das ja nicht, dass sie automatisch hervorragend verdienen. Ganz im Gegenteil. Die sozial- oder geisteswissenschaftlichen Fächer sind schon fast ein Garant für ‚viel-Arbeit-für-wenig-Kohle-Jobs‘. Da kann man in einem Ausbildungsberuf mitunter deutlich mehr verdienen.

Der Staat hilft mit... oder auch nicht

Natürlich gibt es viel Unterstützung. Allen voran die Möglichkeit, BAföG zu beziehen oder sich um Stipendien zu kümmern. Klingt erstmal ganz Erfolg versprechend. Nur ist es gar nicht so leicht, den vollen BAföG-Satz von derzeit 992 Euro zu erhalten. Der hängt vor allem vom Verdienst bzw. Kapital deiner Eltern ab. Ist das zu hoch, gibt es kein BAföG.

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Deine Eltern sind verpflichtet, dich während deiner Erstausbildung zu unterstützen. Hast du aber Beef mit ihnen, wird es ungut. Klar, du kannst den Unterhalt dann einklagen. Spaß macht das aber keinen.

Zusammengefasst heißt das: theoretisch hast du immer eine finanzielle Absicherung für deine Studienzeit, entweder durch den Staat oder deine Eltern. Praktisch läuft die Nummer anders, denn die wenigsten erhalten den Höchstsatz. Häufiger ist es eine gemeinsame Sache aus Eltern und Staat. Nach dem Studium musst du dann die Hälfte deiner staatlichen Unterstützung abbezahlen. Du startest dein Berufsleben dann mit Schulden – wäre also ratsam, möglichst schnell einen lukrativen Job an Land zu ziehen. Kein sonderlich erbaulicher Gedanke. 

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Studium mit Job finanzieren

Zeit, sich einen Job zu suchen, um das Studium besser zu finanzieren. Ein Werksstudentenjob oder Nebenjob ist meist schnell gefunden. Wenn du Glück hast, lässt der sich gut mit dem Studium vereinbaren. Sei es, weil er zeitlich gut hineinpasst oder du schon in deinem angestrebten Arbeitsfeld unterwegs bist und gute, praktische Erfahrungen sammeln kannst.

Wenn du Pech hast, erfordert dein Job aber sehr viel körperlichen oder geistigen Einsatz - zusätzlich zum Studium und eventuell musst du zwischen Uni und Job, on top, noch viel jonglieren. Das ist eine miese Belastung: Job, Uni, Lernen und dann gibt es noch so etwas wie ein Sozialleben. Kommiliton:innen, die das unfassbare Glück haben, sich nur auf ihre Hochschullaufbahn konzentrieren zu dürfen, sind da echt zu beneiden. 

Wie teuer ist ein Studium?

Anyway. Tun wir mal so, als ob du ’nen Nebenverdienst hast und deine Eltern dir was zuschießen. Oder wir gehen vom genannten Höchstsatz von 992 Euro aus. Klingt erstmal ansehnlich. Schauen wir uns aber an, wie hoch derzeit die Ausgaben für Miete, Energie und Essen sind, wird es schnell unangenehm.

 Auch bei Studenten gilt: Die Miete ist der größte Kostenfaktor. Die Zeiten, in denen es günstige Zimmer zur Untermiete gab, sind längst vorbei. Einen Platz im Wohnheim zu bekommen dauert mitunter mehrere Semester und WGs sind mittlerweile ebenfalls sauteuer. Ein Ende der Preisspirale ist noch lange nicht abzusehen, ganz im Gegenteil.

Wie weit kommst du mit der Kohle? Das Deutsche Studierendenwerk ging 2021 in seiner 22. Sozialerhebung von rund 201 Euro pro Kopf für Verpflegung aus. Ist jetzt auch schon wieder vier Jahre her und das Wörtchen Inflation sagt uns: jetzt ist es mehr. Seien wir optimistisch und gehen von 250 Euro aus. Die Mietkosten sind zwar generell sehr hoch, variieren aber von Stadt zu Stadt. Klar, wer in München oder Hamburg wohnt, muss deutlich mehr zahlen als in Fulda.

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Laut Destatis waren es für 2021 rund 420 Euro (Miete+Nebenkosten). Autschi. Beim BAföG beträgt der Mietanteil (im Höchstsatz) 380 Euro. Dafür bekommst du eventuell auf dem Land, fernab der Uni, ein WG-Zimmer. In einer größeren Stadt? Ausgeschlossen. Mittlerweile geht unter 500 Euro fast nix mehr. Laut dem Deutschen Studierendenwerk stehen noch folgende Kosten auf dem Programm, wohlgemerkt alle aus dem Jahr 2021: 

  • Lernmaterial: 31 Euro
  • Telefon, Internet, Rundfunk- und Fernsehgebühren: 31 Euro
  • Kleidung: 46 Euro
  • Semesterbeitrag: 36 Euro
  • Mobilitätskosten: 89 Euro
  • Krankenversicherung: 100 Euro

Puh, da kommt einiges zusammen. Was in dieser Rechnung noch fehlt, sind Energiekosten. Für die Freizeit hingegen wurden 2021 etwa 65 Euro veranschlagt. Wenn du das alles mal zusammenrechnen möchtest... dürfte dir schnell klar werden, das wird tight. 

Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden

Nun sind aber natürlich nicht alle Menschen von Armut und geringen Einkommen betroffen. Schaust du dir eine Erhebung über die Vermögensverteilung unter Student:innen vom Deutschen Studierendenwerk an, wird es ziemlich spannend. 

Studierendenwerk Deutschland Erhebung
Während ein Viertel aller Studierenden sehr gut alimentiert ist und mehr als 1.300 Euro monatlich zur Verfügung hat, verfügt mehr als ein Drittel der Studierenden über weniger als 800 Euro im Monat. (Grafik © Deutsches Studierendenwerk)

Erstaunlich viele Studierende haben demnach über 1.100 Euro und mehr im Monat zur Verfügung. Das ist viel Geld. Ich lehne mich weit aus dem Fenster und behaupte: Das sind keine BAföG-Empfänger:innen mit tollem Nebenjob. Nein, es sind eher wohlsituierte junge Menschen. Was auch das folgende Phänomen erklärt: die ganzen Luxusangebote, welche auf Immobilienportalen angezeigt werden.

Kleine Ein-Zimmer-Appartements, perfekt auf Studierende zugeschnitten und ausgestattet für sehr viel Geld. Und diese Angebote werden immer mehr. Offensichtlich gibt es also eine Menge Leute, die sich das leisten können. Daran ist nichts Verwerfliches, aber es zeigt einen Trend. Es sind nicht Akademiker-Kinder, die eher studieren, sondern die Kinder wohlhabender Familien. Denn wenn sowieso kein Geld da ist, wird der Sprössling sich ganz schnell nach einer Lehre umschauen (müssen). 

Schon heute kommen beispielsweise Ärzte und Juristen vorwiegend aus eher wohlhabenden Gesellschaftsschichten. Dass ein junger Mensch mit Hartz4- oder Bürgergeld-Hintergrund sich aufmacht, das lange Studium der Medizin zu absolvieren, ist leider eine Ausnahme. Wie soll er oder sie das auch stemmen? Selbst mit einem guten Nebenjob wird es schwierig, die hohen Beträge für Miete und Essen auf Dauer zusammenzubekommen. Ohne die Unterstützung der Eltern eine ziemliche Herausforderung. Solche Berufe werden dann auch zunehmend elitär und das ist keine gute Entwicklung.

Im schlimmsten Fall wird die Kluft zwischen der klassischen Arbeiterschicht und den Studierten dadurch wieder tiefer. Das ist sehr schade. Es wäre schön, wenn der Staat sich an dieser Stelle ein wenig mehr Mühe geben würde, damit auch Kinder aus weniger gut situierten Haushalten eine Chance haben, ein Studium zu absolvieren. Gar nicht nur finanziell, sondern beispielsweise auch mit der Bereitstellung von mehr Wohnraum, Vergünstigungen in der Mensa oder Unterstützung bei der Ausstattung. 

(Deutsches Studierendenwerk/Bundesamt für Statistik/Arbeitsagentur/CHHI)

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